Dipl.-Finanzwirt Werner Becker, Dr. Andreas Nagel
§ 188 AO regelt die Zerlegung des Gewerbesteuermessbescheids (§ 184 AO). Dieser Bescheid wird in betragsmäßig festgelegte Anteile aufgeteilt, die den verschiedenen steuerberechtigten Gemeinden zugeteilt werden. Der Zerlegungsbescheid ist damit ein "zerlegter Messbescheid".
Die Zerlegung des Gewerbesteuermessbescheids ist ein verfahrensmäßig verselbstständigter Teil im Rahmen der Steuerfestsetzung. Der Zerlegungsbescheid ist im Verhältnis zu dem Realsteuerbescheid Grundlagenbescheid i. S. d. § 171 Abs. 10 AO. Im Verhältnis zum Gewerbesteuermessbescheid ist er Folgebescheid. Soweit der Gewerbesteuermessbescheid geändert wird, ist auch der Zerlegungsbescheid als Folgebescheid gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 185, 184 Abs. 1 Satz 3 AO zu ändern. Diese Änderung ist jedoch auf die Anpassung an den geänderten Gewerbesteuermessbescheid beschränkt.
Zerlegungsbescheide sind mit dem Einspruch anfechtbar (§ 347 Abs. 1 AO). Notwendig ist nach § 350 AO, dass eine Beschwer vorliegt. Diese ist bei einem Steuerpflichtigen vorhanden, wenn die Änderung des Zerlegungsbescheids dazu führen würde, dass ein niedrigerer Hebesatz zur Anwendung kommt, was eine geringere Steuerbelastung zur Folge hätte (BFH, Urteil v. 24.3.1992, VIII R 33/90, BStBl II 1992, S. 869). Entscheidungen, die durch den Steuermessbescheid als Grundlagenbescheid getroffen worden sind, können allerdings nicht durch Anfechtung des Zerlegungsbescheids angegriffen werden (vgl. § 351 Abs. 2 AO).
Streitwert bei Anfechtungsklage
Das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss v. 5.4.2023, 4 K 4054/22) hat den Streitwert für eine Anfechtungsklage gegen 2 Gewerbesteuerzerlegungsbescheide festgesetzt. In dem Verfahren ging es um Folgendes:
Die Klägerin hatte die Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010, die Gewerbesteuerzerlegungsbescheide für 2009 und 2010 sowie die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2009 und den 31.12.2010 angefochten. Streitig war in beiden Jahren allein die Höhe des Gewerbeertrags. Nach Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache waren sich die Beteiligten uneinig über die Höhe des Streitwerts für den Verfahrensgegenstand Zerlegung.
Das FG hat entschieden, dass für die Zerlegung ein Streitwert von 0 EUR anzusetzen sei, weil die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für die Klägerin nicht über die gewerbesteuerliche Auswirkung der begehrten Minderung des Gewerbeertrags hinausgehe. Diese sei aber im Streitwert für den Verfahrensgegenstand Messbetrag zu erfassen und nicht im Wege der Streitwertverdoppelung ein zweites Mal im Streitwert für den Verfahrensgegenstand Zerlegung.
Uneinheitliche Rechtsprechung des BFH
Die BFH-Rechtsprechung ist in vergleichbaren Konstellationen uneinheitlich.
Der I. Senat des BFH (Urteil v. 11.7.2019, I R 26/18, BStBl 2022 II, S. 92) hat entschieden, dass der Streitwert für die Anfechtung des Zerlegungsbescheids mit 0 EUR anzusetzen ist.
Im vom BFH entschiedenen Fall war die Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid begründet. Der Kläger hatte gegen den Zerlegungsbescheid allerdings nur Einwendungen erhoben, die den Gewerbesteuermessbescheid betrafen. Daher war die Klage gegen den Zerlegungsbescheid ohne Sachprüfung als unbegründet abzuweisen.
Bei der Kostenentscheidung und damit einhergehend bei der Bemessung des Streitwerts ist der BFH von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Die Revision des Finanzamts sei zwar im Hinblick auf den Streitgegenstand Gewerbesteuerzerlegung erfolgreich gewesen. Doch falle dieses Obsiegen gegenüber dem Unterliegen hinsichtlich des Streitgegenstands Gewerbesteuermessbetrag nicht ins Gewicht. Im Fall der vorliegend gegebenen objektiven Klagenhäufung, bei der ein Grundlagenbescheid – hier der Gewerbesteuermessbescheid – und der Folgebescheid – hier der Zerlegungsbescheid – ausschließlich mit Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid angegriffen würden, könne der Streitwert des Folgebescheid-Verfahrens die Bindungswirkung (§ 182 Abs. 1 AO) berücksichtigen mit der Folge, dass jener Streitwert mit 0 EUR anzusetzen sei oder dass (lediglich) der Tabelleneingangswert der Wertgebührenvorschrift (§ 34 Abs. 1 GKG) zur Anwendung komme.
Danach liege der Streitwert der Anfechtungsklage gegen den Gewerbesteuermessbescheid um ein Vielfaches über dem Streitwert der Anfechtungsklage gegen den Zerlegungsbescheid, was zur Anwendung des § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO führen müsse.
Verfahrenskosten vollständig dem Finanzamt auferlegt
Nach § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO können Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Hieraus folgte, dass der BFH die Kosten des Verfahrens vollständig dem Finanzamt auferlegt hat, obwohl die Klage gegen den Gewerbesteuerzerlegungsbescheid unbegründet war.
Der IV. Senat des BFH hat in einer älteren Entscheidung (Beschluss v. 26.11.2002, IV E 2/02, BFH/NV 2003, S. 338) bei einem "Grundlagen-/Folgebescheid Fall" eine Streitwertverdoppelung angenommen. In diesem Verfahren ging es um die Anf...