Dr. Dario Arconada Valbuena, Dr. Andreas Nagel
Zusammenfassung
Neben der allgemeinen Hinweispflicht hat die OLG- und LG-Rechtsprechung eine "besondere Hinweis- und Informationspflicht" entwickelt. Besondere Umstände können vorliegen, wenn der Mandant durch Pauschalangebote angelockt, dann aber nach den gesetzlichen Gebühren abgerechnet wird. Besonders kann auch sein, wenn auf Grundlage einer Honorarvereinbarung deutlich über der Mittelgebühr abgerechnet wird, und das von Anfang an beabsichtigt war. Entscheidend ist zudem, dass die Honorarvereinbarung so gestaltet ist, dass das wirtschaftliche Ziel des Mandanten sinnlos wird. Was das für die rechtssichere Ausgestaltung Ihrer Honorarvereinbarungen bedeutet, erläutert Herr Dr. Arconada gleich im Anschluss anhand anschaulicher Fälle aus der Rechtsprechung.
1 Rechtsentwicklung: Entwickelt die Rechtsprechung mit der Zeit eine "besondere Hinweis- und Informationspflicht" zu Honoraren?
Der Rechtsanwalt, der den Mandanten vor Übernahme des Auftrags schuldhaft nicht darauf hinweist, dass sich die für seine Tätigkeit zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, ist dem Mandanten zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens verpflichtet. Gleiches soll auch für Steuerberater gelten. Neben der allgemeinen Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO oder § 4 Abs. 4 StBVV kann sich in Einzelfällen eine von der Rechtsprechung entwickelte "besondere Hinweis- und Informationspflicht" ergeben.
Übersicht über die Rechtsprechung
Die Gemeinsamkeiten der Urteile (EuGH, Urteil v. 12.1.2023, C-395/21; BGH, Urteil v. 2.7.1998, IX ZR 63/97; BGH, Urteil v. 24.5.2007, IX ZR 89/06; OLG München, Urteil v. 2.2.2022, 15 U 2738/21 Rae; LG Stuttgart, Urteil v. 11.7.2016, 27 O 338/15) der letzten Jahre liegen darin, dass die Streitigkeiten auf Grundlage von Honorarvereinbarungen entstanden sind. Die Mandanten haben ihre Berater mit verschiedenen Leistungen beauftragt, z. B. die Erstellung einer steuerlichen Selbstanzeige oder der Vertretung in einem Kündigungsschutzprozess.
In den Vergütungsvereinbarungen wurde in den meisten Fällen eine Honorierung auf Basis des Zeitaufwands vereinbart. Es wurden auch in einigen Fällen Pauschalhonorare vereinbart, die sich am Wert der Dienstleistung orientierten und zusätzliche Leistungen abdecken sollten. Häufig wurde neben den Stundensätzen eine Art Auffangklausel aufgenommen, die ein Vielfaches der gesetzlichen Gebühren vorsah.
In allen Urteilen kam es zu Auseinandersetzungen über die Höhe der Vergütung und die Art der Abrechnung. Die Gerichte mussten entscheiden, ob die von den Rechtsanwälten gestellten Rechnungen gerechtfertigt waren und ob die Honorarvereinbarungen den gesetzlichen Anforderungen entsprachen.
Insgesamt zeigen die Urteile, dass Honorarvereinbarungen häufig Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind, und dass Richter darauf achten, dass die Interessen der Mandanten angemessen geschützt werden.
BGH: Allgemeine Hinweispflicht des Rechtsanwalts nach § 49b Abs. 5 BRAO
Der BGH (Urteil v. 24.5.2007, IX ZR 89/06.) führt allgemein zur Schadensersatzpflicht aus:
"Die vorvertragliche Pflicht, den zukünftigen Mandanten (…) zu belehren, dient (…) in erster Linie dem Schutz des Mandanten. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht führt deshalb gem. § 280 Abs. 1 BGB zur Schadensersatzpflicht des Rechtsanwalts (…)."
Weiter wird dazu ausgeführt:
"Der Umstand, dass es sich bei der Hinweispflicht rechtssystematisch um ein Gebot handelt, das die allgemeinen Berufspflichten (…) konkretisiert (…), schließt die Schadensersatzpflicht nicht aus. Auch die Verletzung von Berufspflichten begründet Schadensersatzansprüche des Mandanten, wenn sie seinem Schutz dienen. (…). Denn Zweck dieser Pflicht ist es, dem Mandanten vor Auftragserteilung Gelegenheit zu geben, sich über hierfür anfallende Kosten zu informieren (…) und nach seinem Interesse den Auftrag zu beschränken, von ihm abzusehen oder eine Gebührenvereinbarung anzustreben."
Der BGH stellt in seinem Urteil auf die allgemeine Hinweispflicht nach § 49b Abs. 5 BRAO ab. Denn in der Entscheidung hatte der Rechtsanwalt es versäumt, den erforderlichen Hinweis zu erteilen.
Hinweispflicht ernst nehmen
Vor diesem Hintergrund erscheint es für die Praxis zwingend, auch die Hinweispflicht nach § 4 Abs. 4 StBVV ernst zu nehmen und diesen Hinweis zu dokumentieren.
Instanzgerichte: "besondere Hinweis- und Informationspflicht" nach § 242 BGB
Das OLG München (Urteil v. 2.2.2022, 15 U 2738/21 Rae) greift die Argumentation des BGH auf und geht auf eine besondere Fallgestaltung ein. In dem Fall wurde ein Mandant vor dem Arbeitsgericht vertreten. Der Rechtsanwalt forderte sein Honorar auf Grundlage einer Honorarvereinbarung nach Stundensätzen, die jedoch eine Auffangklausel nach RVG vorsah. Später verrechnete er ein Pauschalhonorar mit der geleisteten Abfindung. Das OLG führt zu dieser Konstellation aus:
"Ungefragt schuldet der Rechtsanwalt (…) seinem Auftraggeber grundsätzlich keinen solchen Hinweis auf die bisher entstandenen oder noch zu entstehenden Gebühren. Nur auf Verlangen des Auftraggebers hat der Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe seines Entgeltes mitzuteilen (BGH, NJW 1998, 3486, 3487)...