Dipl.-Betriebsw. Thorsten Hesse, Dipl.-Finanzwirt Thomas Rennar
„Wir werden in den nächsten Jahren den größten Umbruch erleben, den die Branche bisher gesehen hat”, konstatierte ein Berater kürzlich in einem Workshop hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des Geschäftsmodells im Allgemeinen, im Besonderen aber vor allem für das Geschäftsfeld Finanzbuchhaltung (Fibu).
Mit der Einführung der E-Rechnung wird bis 2028 das endgültige Ende des Pendelordners eingeleitet. Statt Buchungsinformationen vom Beleg manuell zu erfassen oder aus gescannten Belegen Buchungssätze zu vervollständigen, werden zukünftig strukturierte Datensätze verarbeitet – mit erheblichen Auswirkungen auf den Zeitaufwand und damit die Effizienz.
Wenngleich in der Branche Einigkeit dahingehend besteht, dass der Erfassungsaufwand deutlich sinkt, wird häufig argumentiert, dass es lediglich zu einer zeitlichen Verlagerung kommt – von der Erfassung hin zur Kontrolle. Hierbei gilt es m. E. zu bedenken, dass es innerhalb von Fibu-Systemen und Datenanalyse-Systemen bereits seit vielen Jahren die Möglichkeit gibt, Kontrollaufgaben ebenfalls zu automatisieren. Und auch der Aufwand für die sachliche Rechnungsprüfung wird mit einer E-Rechnung obsolet, da hier alle erforderlichen Angaben systemseitig vorgegeben sind. Zudem wird die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in Fibu-Software die Automatisierungsquote weiter verbessern.
Was bedeutet dies nun für die Entwicklung des Geschäftsfelds Finanzbuchhaltung, das seit Jahren konstant rd. 30 % des Kanzleiumsatzes beisteuert? Und welche konkreten Handlungsfelder ergeben sich für die zukünftige Kanzleistrategie?
Kurz- und mittelfristige Auswirkungen
Das grundlegende Problem, das sich aus diesen Veränderungen ergibt, liegt in der aktuellen Honorar- und Abrechnungsstruktur vieler Kanzleien. Häufig ist die Berechnung der Fibu-Honorare an den Zeitaufwand geknüpft. Dies gilt insbesondere für Pauschalhonorare nach § 14 StBVV. Aber auch bei der Abrechnung nach Gegenstandswert und Zehntelsätzen wird oft der zeitliche Aufwand als maßgeblicher Faktor für die Festlegung des Honorars herangezogen.
Viele Kanzleien sehen die Gefahr, dass die Kanzleiumsätze mit zunehmender Automatisierung erodieren könnten. Auch ein eventueller Preiskampf innerhalb der Branche wird immer wieder thematisiert, wobei dies in der aktuellen Marktsituation mit hoher Auslastung eher unwahrscheinlich ist. Und zu guter Letzt könnten Mandanten Preisnachlässe einfordern – verbunden mit dem Hinweis, dass die Fibu nur noch ein Knopfdruck sei. Was dabei häufig übersehen wird: Automatisierung und Effizienzsteigerungen kommen nicht von selbst, sondern sind das Ergebnis von Investitionen in externe Berater, neue digitale Tools und die ständige Weiterqualifizierung von Mitarbeitern.
Besser wertbasierten Honoraransatz wählen
Passen Sie zeitnah Ihre Honorarstrategie an die aktuellen Entwicklungen an. Mit einem wertbasierten, anstelle eines zeitbasierten Honoraransatzes stellen Sie sicher, dass Verbesserungen der Produktivität nicht einseitig zu Lasten der Kanzlei gehen und Umsatz und Rentabilität negativ beeinflussen. Flankierend sollten Sie sich mit Methoden der Einwandbehandlung beschäftigen, um auf mögliche Preiskritik vorbereitet zu sein.
Mittel- und langfristige Auswirkungen
Auch wenn sich das Prognostizieren von zukünftigen Entwicklungen mitunter schwierig gestaltet, lässt sich mit den heute zur Verfügung stehenden Informationen durchaus eine Idee entwickeln, wohin es mit der Steuerberatungsbranche in den nächsten Jahren gehen wird. Für das Geschäftsfeld Finanzbuchhaltung gehen viele Kanzleiinhaber davon aus, dass diese in 5 Jahren nahezu automatisiert ist.
Zukunftsbild für die Kanzlei entwickeln
Entwickeln Sie für Ihre Kanzlei ein Zukunftsbild bzw. eine Kanzlei-Vision. Hiermit beschreiben Sie, wohin es mit der Kanzlei in den nächsten 5 Jahren gehen soll, z. B. dahingehend, welche Leistungen künftig gefragt sein werden, welche Auswirkungen eine zunehmende Automatisierung haben wird und welche Qualifikationen auf Inhaber- und Mitarbeiterebene zukünftig gefragt sind. Auf Basis einer aktuellen Standortbestimmung in Form einer Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse (kurz: SWOT) entwickeln sie einen Plan und entsprechende Maßnahmen zur Erreichung des angestrebten Zukunftsbilds.
Das Gelingen der Transformation hängt dabei vor allem von der Integration aller Beteiligten ab. Neben den Mandanten sind das vor allem die Kanzleimitarbeiter. In der Praxis haben sich Workshops bewährt, wie ein Digitalisierungs- oder Zukunftstag, bei dem die Kanzleileitung das Zukunftsbild vorstellt und anschließend den Mitarbeitenden die Möglichkeit gibt, den Veränderungsprozess aktiv mitzugestalten.
Veranstaltung eines Zukunftstags
Seit mittlerweile 3 Jahren begleite ich eine Kanzlei, die einmal im Jahr einen Zukunftstag für die Kanzleimitarbeitenden durchführt. Beim letzten Workshop haben die Mitarbeitenden am Anschluss an einen Impuls zur Branchenentwicklung Chancen und Risiken i. V. m. der Automatisierung der Fib...