Dipl.-Betriebsw. Thorsten Hesse, Dipl.-Finanzwirt Thomas Rennar
Das OLG Bamberg hat mit Beschluss v. 2.4.2024 (1 W 12/24e) zum Kostenersatz durch Dokumentenpauschale bei Digitalisierung der Gerichtsakte entschieden. Der im Streitfall abrechnende Rechtsanwalt begehrte hierbei einen erfolglosen Kostenersatz nach RVG-VV 7000 für etwaig eingescannte Gerichtsakten. Eine der individuellen Arbeitserleichterung dienende Maßnahme zur Digitalisierung der Gerichtsakte ist hierbei in den Grenzen einer sparsamen Prozessführung zumindest nach RVG nicht erstattungsfähig. Die Rechtsprechungsgrundsätze haben insoweit Signalwirkung für die Honorargestaltung von Steuerberatern.
Leitsätze (n. amtl.)
- Ein eingescanntes Dokument ist weder eine Ablichtung noch handelt es sich um eine Kopie i. S. v. Nr. 7000, Ziff. 1 RVG-VV.
- Eine der individuellen Arbeitserleichterung dienende Maßnahme des Rechtsanwalts (hier: Digitalisierung der vom Gericht angeforderten, umfangreichen Papierakte) ist in den Grenzen einer sparsamen Prozessführung nicht erstattungsfähig. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt nicht vor der Digitalisierung vom Gericht und der gegnerischen Partei die Übermittlung einer von dieser bereits erstellten digitalen Version der Akte verlangt.
Sachverhalt
Im Anschluss an ein zivilgerichtliches Verfahren stellte der den Kläger als Prozessbevollmächtigter vertretende Rechtsanwalt für seinen Mandanten einen Kostenfestsetzungsantrag. Neben der eigentlichen Rechtsanwaltsvergütung wurde darin auch die Festsetzung einer Dokumentenpauschale beantragt. Dieser war vorausgegangen, dass dem Rechtsanwalt im streitigen Verfahren ca. 6.000 Seiten aus der Papierakte per Post zugesandt wurden und er diese vollständig eingescannt hat. Hierfür rechnete er entsprechend der Anzahl der eingescannten Aktenseiten auf der Grundlage von RVG-VV 7000 im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrags ab. Der zuständige Rechtspfleger erachtete die für die Digitalisierung der Papierakte abgerechneten Kosten als nicht erstattungsfähig und lehnte deren Festsetzung ab. Der Kläger legte hiergegen erfolglos Beschwerde im Vorverfahren ein.
Entscheidung des OLG Bamberg
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg (OLG Bamberg, Beschluss v. 2.4.2024, 1 W 12/24e). Das Erstgericht hat zu Recht die vom Kläger beanspruchten Digitalisierungskosten als nicht kostenrechtlich festsetzungsfähig angesehen und dies auch zutreffend begründet.
1. Digitalisierung der Gerichtsakte führt regelmäßig nicht zum RVG-Kostenersatz
Zutreffend hat das Erstgericht zugrunde gelegt, dass es sich bei den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der angesetzten Kosten für die Digitalisierung der beklagtenseits in Papierform übergebenen Unterlagen nicht um gem. Nr. 7000 Abs. 2 i. V. m. Ziff. 2 und Ziff. 1 Buchst. c) RVG-VV kostenrechtlich erstattungsfähige Auslagen (Dokumentenpauschale) handelt.
Denn allein für das Einscannen von Dokumenten fällt seit der Neufassung der Nr. 7000 RVG-VV durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts – sog. 2. KostRMoG (BGBl I 2013, S. 2586) seit dem 1.8.2013 keine Vergütung mehr an, weil der Gesetzgeber durch die Ersetzung des Begriffs "Ablichtung" durch den Begriff "Kopie" in Nr. 7000 Ziff. 1 RVG-VV klarstellen wollte, dass ein eingescanntes Dokument entgegen der früheren h. M. keine "Ablichtung" ist und es sich auch nicht um eine Kopie i. S. v. Nr. 7000 Ziff. 1 RVG-VV handelt (vgl. BT-Drs. 17/11471). Demnach ist eine Kopie i. S. d. Kostenrechts die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, z. B. Papier, Karton oder Folie, was beim Speichern eines Dokuments auf einem externen Datenträger wie einem USB-Stick, einer externen Festplatte, einer CD-ROM oder auf der Festplatte eines Computers nicht der Fall ist (KG Berlin, Beschluss v. 28.8.2015, 1 Ws 51/15; Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., RVG-VV, Nr. 7000, Rn. 15 ff. m. w. N.).
Das Einscannen eines Dokuments wird somit nur nach dem durch das 2. KostRMoG eingeführten Nr. 7000 Abs. 2 RVG-VV bei der Berechnung der Dokumentenpauschale berücksichtigt, d. h. nur dann, wenn auch die Voraussetzungen nach Nr. 7000 Ziff. 2 i. V. m. Ziff. 1 Buchst. d) RVG-VV vorliegen. Nachdem es in Nr. 7000 Abs. 2 RVG-VV um die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien geht, kann sich diese Regelung allein auf die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Ziff. 2 i. V. m. Ziff. 1 Buchst. d) RVG-VV beziehen. Die Regelung der Nr. 7000 Ziff. 2 RVG-VV tritt damit nur an die Stelle der Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. d) RVG-VV und gilt demnach in den Fällen der Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a) bis c) RVG-VV nicht (vgl. u. a. Bayerisches LSG, Beschluss v. 9.8.2018, L 12 SF 296/18e, m. w. N.).
2. Verstoß gegen Grundsatz einer ökonomisch sparsamen Prozessführung
Eine der individuellen Arbeitserleichterung dienende Maßnahme des Rechtsanwalts zur Digitalisierung der vom Gericht angeforderten, umfangreichen Papierakte ist in den Grenzen einer sparsamen Prozessführung insoweit nicht erstattungsfähig.
Erstattungsfähig sind gem. § 91 Abs. 1 ZPO nur diejenigen Kosten, die zur zweckentsprechende...