Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Digitalisierung der Gerichtsakte (verneint)
Leitsatz (amtlich)
1. Ein eingescanntes Dokument ist weder eine Ablichtung noch handelt es sich um eine Kopie iSv Nr. 7000 Ziffer 1 VV-RVG. (Rn. 4)
2. Das Einscannen eines Dokuments wird nur nach Nr. 7000 Anm. Abs. 2 VV-RVG bei der Berechnung der Dokumentenpauschale berücksichtigt, mithin nur dann, wenn auch die Voraussetzungen nach Nr. 7000 Ziffer 2 iVm Ziffer 1 lit. d) VV-RVG vorliegen. (Rn. 5)
3. Die Regelung der Nr. 7000 Ziffer. 2 VV-RVG tritt nur an die Stelle der Nr. 7000 Ziffer 1 lit. d) VV-RVG und gilt demnach in den Fällen der Nr. 7000 Ziffer 1 lit. a bis lit. c) VV-RVG nicht. (Rn. 5)
4. Eine der individuellen Arbeitserleichterung dienende Maßnahme des Rechtsanwalts (hier: Digitalisierung der vom Gericht angeforderten, umfangreichen Papierakte) ist in den Grenzen einer sparsamen Prozessführung nicht erstattungsfähig. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt nicht vor der Digitalisierung vom Gericht und der gegnerischen Partei die Übermittlung einer von dieser bereits erstellten digitalen Version der Akte verlangt. (Rn. 9 - 10)
Normenkette
VV-RVG Nr. 7000; ZPO § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Coburg (Beschluss vom 15.01.2024; Aktenzeichen 24 O 759/18) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Coburg vom 15.01.2024, Az. 24 O 759/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.020,70 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch ansonsten gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Erstgericht hat zu Recht die vom Kläger beanspruchten Digitalisierungkosten als nicht kostenrechtlich festsetzungsfähig angesehen und dies auch zutreffend begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 15.01.2024 und die der Nicht-Abhilfeentscheidung vom 08.03.2024 Bezug genommen und nur noch ergänzend folgendes ausgeführt:
1. Zutreffend hat das Erstgericht zugrunde gelegt, dass es sich bei den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der angesetzten Kosten für die Digitalisierung der beklagtenseits in Papierform übergebenen Unterlagen nicht um gemäß Nr. 7000 Abs. 2 i.V.m. Ziffer 2 und Ziffer 1 lit. c) VV-RVG kostenrechtlich erstattungsfähige Auslagen (Dokumentenpauschale) handelt.
Denn allein für das Einscannen von Dokumenten fällt seit der Neufassung der Nr. 7000 VV-RVG durch das 2. KostRMoG zum 01.08.2013 keine Vergütung mehr an, weil der Gesetzgeber durch die Ersetzung des Begriffs "Ablichtung" durch den Begriff "Kopie" in Nr. 7000 Ziffer 1V VV-RVG klarstellen wollte, dass ein eingescanntes Dokument entgegen der früheren h.M. keine "Ablichtung" ist und es sich auch nicht um eine Kopie i.S.v. Nr. 7000 Ziffer 1 VV-RVG handelt (vgl. BT-Drucks 17/11471). Demnach ist eine Kopie im Sinne des Kostenrechts die Reproduktion einer Vorlage auf einem körperlichen Gegenstand, bspw. Papier, Karton oder Folie, was beim Speichern eines Dokuments auf einem externen Datenträger wie einem USB-Stick, einer externen Festplatte, einer CD-ROM oder auf der Festplatte eines Computers nicht der Fall ist (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 28.08.2015, 1 Ws 51/15; Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage RVG-VV Nr. 7000 Rn. 15 ff. m.w.N.).
Das Einscannen eines Dokuments wird somit nur nach dem durch das 2. KostRMoG eingeführten Nr. 7000 Anm. Abs. 2 VV-RVG bei der Berechnung der Dokumentenpauschale berücksichtigt, d.h. nur dann, wenn auch die Voraussetzungen nach Nr. 7000 Ziffer 2 i.V.m. Ziffer 1 lit. d) VV-RVG vorliegen. Nachdem es in Nr. 7000 Anm. Abs. 2 VV-RVG um die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien geht, kann sich diese Regelung - entgegen der Ansicht des Klägers - allein auf die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Ziffer 2 i.V.m. Ziffer 1 lit. d) VV-RVG beziehen. Die Regelung der Nr. 7000 Ziffer. 2 VV-RVG tritt damit nur an die Stelle der Nr. 7000 Ziffer 1 lit. d) VV-RVG und gilt demnach in den Fällen der Nr. 7000 Ziffer 1 lit. a) bis lit. C) VV-RVG nicht (Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage RVG-VV Nr. 7000 Rn. 200 ff.; Schneider/Volpert, AnwK RVG, 9. Auflage, VV 7000, Rn. 159ff; KG Berlin, aaO; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 9. August 2018, Az. L 12 SF 296/18e).
2. Abgesehen davon, dass demnach schon kein Anspruch auf Erstattung einer Kostenpauschale für die Digitalisierung nach § 2 RVG, Nr. 7000 VV-RVG besteht, ist im übrigen hier auch nicht festzustellen, dass die Digitalisierung der beklagtenseits in Papierform übergebenen Unterlagen zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war (§ 91 Abs. 1 ZPO).
a) Erstattungsfähig sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO nur diejenigen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notw...