Prof. Dr. Ronald Gleich, Manfred Blachfellner
2.1 Definition und Grundlagen
Der Wandel von einem Produktangebot hin zu einem Serviceangebot hat weitreichende Auswirkungen auf Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle. Nicht umsonst wird die Servitization auch als Geschäftsmodellinnovation bezeichnet. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung und dem Aufkommen neuer Technologien streben Kunden nach individuellen, ganzheitlichen Leistungsangeboten. Das Angebot eines reinen Produktes ist nicht mehr ausreichend und erfordert ein Umdenken in der produzierenden Industrie, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, geschweige denn zu stärken. Folglich kommt es zu Veränderungen im Wertversprechen produzierender Unternehmen: das Angebot von Dienstleistungen für den Kunden wird zunehmend zentraler Bestandteil des Angebots- bzw. Leistungsportfolios. Im Vordergrund steht dann nicht mehr das eigentliche Produkt und dessen Verkauf, sondern das Ziel, den Kunden in seinen wesentlichen Prozessen zu unterstützen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit ändert sich dahingehend, dass die Geschäftsziele der Kunden im Mittelpunkt des Agierens stehen und die produzierenden Unternehmen sich nicht mehr nur auf die reinen Produkteigenschaften einer Maschine oder Anlage konzentrieren. Demzufolge kann folgendes konstatiert werden: "Servitization has been defined as the process of creating value by adding services to products. It involves offering fuller market packages or ‘bundles’ of customer focused combinations of goods, services, support, self-service and knowledge in order to add value to core product offerings." Mehr zugespitzt versteht man unter Servitization "…den Trend, dass sich immer mehr Anbieter vom reinem Produkthersteller zum Serviceanbieter verändern." Diese Transformation beschreibt eine Entwicklung von herkömmlichen einzelnen Serviceangeboten zu komplexen sowie vielfältigen Dienstleistungspaketen. Hinsichtlich der Servitization werden unter Dienstleistungen nicht nur die produktnahen Dienstleistungen, wie Ersatzteilservice oder Instandhaltung verstanden, sondern weitere, die Schlüsselprozesse des Kunden unterstützenden Services. Das können Beratungsleistungen, Finanzierungen, Schulungen oder anderes mehr sein. Schließlich kann dies bis zu einem breiten Angebotsportfolio führen, indem Plattformen oder ein Output offeriert werden (im Sinne eines Betreibermodells). Die Servitization ist übrigens nicht der alleinige Grund für (produzierende) Unternehmen sich zu transformieren, auch andere Entwicklungen zwingen Unternehmen sich zu wandeln und weiter zu entwickeln. Die Herausforderung dabei ist das Herausarbeiten einer allen Herausforderungen gerecht werdenden, integrativen Lösung für das Geschäftsmodell sowie die organisatorische Aufstellung des Unternehmens. Eine Übersicht über drei weitere Transformationstreiber gibt Abb. 1:
Abb. 1: Servitization im Kontext anderer Transformationstreiber, speziell hinsichtlich der produzierenden Industrie
2.2 Phasen der Servitization
Die möglichen Phasen und die drei Entwicklungsschritte (man kann auch von Transformationsschritten sprechen) der Servitization für klassische Produkthersteller sind in Abb. 2 skizziert. Nachfolgend werden die einzelnen Zustände (Phase 1 bis 4) und die Weiterentwicklungs- bzw. Transformationsschritte im Sinne eines Wachstumsmodells hin zu einem Anbieter integrierter Lösungen, basierend auf den Ausführungen der NIBC, zunächst allgemein beschreiben.
Abb. 2: Wachstumsmodell Servitization auf Basis des Praetimus-Wachstumsmodells
Phase 1: Produkt-Hersteller:
- Diese Unternehmen stellen im Kern Maschinen, Maschinenkomponenten oder Anlagen her. Das Leistungsangebot konzentriert sich auf die Hardware. Ergänzend zu dieser werden nur die unbedingt notwendigen Dienstleistungen angeboten, wie z. B. Ersatzteilangebote, Instandhaltungsservices oder eine Installationsunterstützung (s. Abb. 3 hinsichtlich der möglichen Ausprägung des Geschäftsmodells: "Asset", "Maintain").
Phase 2: Produkt-Hersteller mit Mehrwert
- Diese Unternehmen stellen nicht nur Maschinen, Maschinenkomponenten oder Anlagen her, sondern haben eine Vielzahl von begleitenden Dienstleistungsangeboten (produktverkaufsbegleitende und beratungsbezogene Dienstleistungen, s. auch Details dazu unten und in Abb. 3 hinsichtlich der möglichen Ausprägung des Geschäftsmodells: "Asset", "Maintain", Enhance).
Phase 3: Full-Service-Dienstleister
- Der Service ist das Geschäftsmodell der Hersteller, d. h. es werden ergänzend zu den Serviceangeboten eines Produkt-"Herstellers mit Mehrwert" Life-Cycle- und Business-Services angeboten, welche die Performance der Maschinen oder Anlagen beim Kunden verbessern sollen (s. Abb. 3 hinsichtlich der möglichen Ausprägung des Geschäftsmodells: "Asset", "Maintain", "Enhance", "Improve")
Phase 4: Anbieter von integrierten Lösungen:
- Service ist das Geschäftsmodell, d. h. nicht mehr die eigentliche Maschine oder Anlage wird angeboten, sondern nur noch deren Verfügbarkeit oder di...