Prof. Dr. Ronald Gleich, Manfred Blachfellner
5.1 Servitization und Value-Co-Creation
Die Anzahl der Interaktionsmöglichkeiten mit dem Kunden innerhalb seiner Wertschöpfungsprozesse ist enorm. Genau hier findet auch der Paradigmenwechsel der Servitization statt: Während klassischerweise der Fokus auf einzelnen Produkten und Dienstleistungen liegt und die Marketingaktivitäten sich auf die Geschäftsanbahnung und einzelne Transaktionen konzentrieren, steht in der Servitization die gesamte Interaktion mit dem Kunden innerhalb seiner Prozesse im Mittelpunkt. Die Digitalisierung ist der Enabler für diesen Schritt, da Prozessschritte gemessen und Systemkomponenten getracked werden können. Daher hat der Ausbau des Servicegeschäfts und die Transformation zum servicezentrierten Anbieter eine große Bedeutung für die Profitabilität im klassischen Maschinen- und Anlagenbau. Vor diesem Hintergrund widmet sich dieser Beitrag den wertbasierten Pricingansätzen in der Servitization. Für das Pricing stellt sich die Frage, wie solche Geschäftspotenziale mit entsprechenden Erlösmodellen monetarisiert werden können. Je stärker die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden ausgebaut wird, desto geringer ist der Wettbewerbsdruck. Wettbewerbsorientierte Preissetzung verliert an Relevanz und stattdessen stellt sich die Frage nach einem geeigneten Preis, der sich an dem Wertverständnis des Kunden orientiert. Industrielle Kunden bewerten eine Leistung nach ihrem Potenzial, wertschaffende Aktivitäten zu ermöglichen. Ein geeignetes Value-based Pricing sollte die Wertverständnisse von Anbieter und Kunde vereinbaren und mit einem geeigneten Preissystem monetär ausdrücken können. Je weiter der Anbieter in der Service-Transformation vorangekommen ist, desto stärker wandelt sich das Wertverständnis von einer produktzentrierten Sichtweise mit Fokus auf den Verkaufswert zu einer servicezentrierten Sichtweise mit Fokus auf den Value-in-use, der aus der Nutzung einer Leistung resultiert. Dieser Beitrag stellt Pricingansätze aus beiden Perspektiven gegenüber. Dabei sollen nicht die ökonomischen Vor- und Nachteile und einhergehende Kalkulationen aufgezeigt werden, sondern vornehmlich die Unterschiede im Wertverständnis und damit einhergehende Effekte auf die Preissystemgestaltung.
5.2 Produktzentriertes Verständnis des Value-based Pricings
Produktzentrierte Anbieter versuchen, Wettbewerbsvorteile durch vorgelagerte Wertschöpfungsschritte zu erlangen, z. B. durch Innovationen in den Bereichen der Entwicklung, der Produktqualität, der Prozesse, der Kostenstrukturen oder der Vermarktung. Hierbei werden die Preise aufgrund der Produktqualitäten und Attribute im Verhältnis zu Wettbewerbsprodukten positioniert. "Customer value-based pricing approaches use the value a product or a service delivers to a predefined segment of customers as the main factor for setting prices". Im Fokus der Werterfassung stehen Produkte, ihre Attribute und deren Differenzierung gegenüber der Konkurrenz. Zur Quantifizierung des Werts und der Abgrenzung gegenüber dem Wettbewerb kann das Customer Value Mapping oder das Economic Value Modelling genutzt werden. Bei den Ansätzen werden Kundensegment-spezifisch Leistungskomponenten des eigenen Produktes und des Konkurrenzproduktes bewertet, zu einem Gesamturteil zusammengefügt und einem Preis gegenübergestellt. Produktzentriertes Value-based Pricing eignet sich hervorragend in den ersten Phasen der Service Transformation für zusätzliche Angebote im Aftermarket-Geschäft. Ein gutes Beispiel ist das Ersatzteilgeschäft mit seinem hohen Margenpotenzial jedoch auch mit hohen Herausforderungen in der Komplexitätsbewältigung. Bei hoher Varianz und geringer Standardisierung individualisierter Maschinen und Anlagen steigt mit der Zeit die Komplexität der Installed Base und ihre zu berücksichtigende Historie. Für das Servicegeschäft resultiert daraus eine Vielzahl an Stücklisten, Konstruktionsanpassungen und Artikelmengen für Ersatzteile im siebenstelligen Bereich. Das typischerweise genutzte Cost-plus Pricing und die daraus resultierende Inkonsistenz und Fokussierung auf interne Kosten kann keine Preiskonsistenz und marktspezifische Preisoptimierung sicherstellen. Viel eher kann aber ein adäquater Value-based Pricing-Ansatz diese Herausforderungen meistern. Hierzu bedarf es ein Value-Konzept, mit drei Dimensionen (s. Abb. 28).
Abb. 28: Valuekonzept für ein Ersatzteilpricing
Dimension 1: Produktattribute und Preisharmonisierung Zeithaml (1988) zeigt, dass der wahrgenommene Wert für Konsumenten eine subjektive Gesamtbewertung eines Produktes darstellt, bei der Nutzenkomponenten aus Qualitätsmerkmalen und weiteren Produktattributen und monetäre sowie nicht-monetäre Kosten in Form von Zeit, Energie und Aufwand gegeneinander abgewogen werden. Produktattribute, wie z. B. Materialeigenschaften, Dimensionen, Design oder Qualitätsspezifika, sind wahrnehmbar, messbar, und vergleichbar. Daraus entstehen beim Kunden unterschiedliche Präferenzen und Preisbereitschaften. Somit sind Ersatzteilattribute als Werttreiber nutzbar, um Preise in Abhäng...