Leitsatz
Eine Eigentumswohnung, die in der Wohnform des "betreuten Wohnens" genutzt wird, dient regelmäßig Wohnzwecken i.S.d. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG i.V.m. § 7 Abs. 5a EStG, § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG a.F.
Normenkette
§ 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG , § 7 Abs. 5a EStG , § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG 1997
Sachverhalt
Die Kläger sind Miteigentümer einer Eigentumswohnung in einer Wohnanlage, die nur im Rahmen der Wohnform "Betreutes Wohnen für Senioren" genutzt werden darf. Die Wohnanlage enthält u.a. einen Mehrzweckraum mit Cafeteria, Gruppenräume, einen Werkraum und ein Gästeapartment. Die Kläger vermieteten die Wohnung zum Zweck des "betreuten Wohnens für Senioren" an die B-GmbH, die die Wohnung nur an nutzungsberechtigte Personen untervermieten sollte und für den Vermieter vertragsgemäß sämtliche Nebenkosten sowie die Vergütung des C für die Grundleistungen im Rahmen des "betreuten Wohnens" übernahm.
In Verträgen mit den Endnutzern verpflichtete sich die B-GmbH als Serviceverpflichtete über die Überlassung der Wohnung hinaus gegen Zahlung einer Pauschale zur Bereitstellung der Gemeinschaftsräume und zu seniorenspezifischen Serviceleistungen, die von C erbracht wurden. Pflege und Versorgung der Endmieter waren nicht Gegenstand der Grundleistungen; sie wurden von der B-GmbH durch C als Wahlleistungen angeboten und mit ihm abgerechnet.
In der Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Wohnung die von der B-GmbH gezahlten Mieten als Einnahmen und machten u.a. AfA gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG in Höhe von 7 % der Anschaffungskosten der Wohnung und den Werbungskostenpauschbetrag des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. als Werbungskosten geltend.
Das FA berücksichtigte lediglich AfA gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Höhe von 2 % der Anschaffungskosten, da die an die B-GmbH vermietete Wohnung nicht Wohnzwecken diene. Das FG gab der Klage statt; dagegen richtet sich die Revision des FA.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Eigentumswohnung der Kläger Wohnzwecken dient. Es habe aber noch Feststellungen dazu zu treffen, ob dies auch für den Miteigentumsanteil der Kläger am gemeinschaftlichen Eigentum gilt; ebenfalls könne nicht beurteilt werden, ob Zahlungen der B-GmbH für die auf die Wohnung der Kläger entfallenden Nebenkosten und für die Grundleistungen im Rahmen des "betreuten Wohnens" neben den vom FG festgestellten Einnahmen der Kläger aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen seien.
Hinweis
1. Eine Eigentumswohnung dient Wohnzwecken (und ermöglicht damit im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden drei Jahren jeweils den Abzug von 7 % der Anschaffungskosten als AfA), wenn sie dazu geeignet und bestimmt ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen (vgl. dazu BFH, Urteil vom 30.9.2003, IX R 20/02, in diesem Heft auf Seite 47). Dies gilt gleichermaßen für eine Eigentumswohnung, die in der Wohnform des "betreuten Wohnens" genutzt wird, weil auch insoweit der Gesetzeszweck des § 7 Abs. 5 EStG, das Angebot auf dem Wohnungsmarkt zu verstärken und eine verbesserte Versorgung mit Mietwohnungen zu erreichen (BTDrucks 11/4688, 10), sowie der Zweck des § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. auf Einnahmen aus der Vermietung von Wohngebäuden bzw. Eigentumswohnungen zu Wohnzwecken (BTDrucks 13/901, 132 zu Nr. 11) erfüllt wird.
2. Hinsichtlich des mit dem Wohneigentum verbundenen gemeinschaftlichen Eigentums ist Folgendes zu beachten: Für unselbstständige Gebäudeteile, die keine selbstständigen Wirtschaftsgüter sind, scheidet eine gesonderte AfA aus; sie nehmen einheitlich an der AfA des Gebäudes teil, wenn sie nicht besonderen, außerhalb des Nutzungs- und Funktionszusammenhangs des Gebäudes stehenden Zwecken dienen (vgl. BFH, Urteil vom 16.2.1993, IX R 85/88, BStBl II 1993, 544). Stehen Gebäudeteile dagegen in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen – wie hier möglicherweise die Cafeteria und andere Nebenräume –, so sind sie jeweils selbstständige Wirtschaftsgüter, die hinsichtlich der AfA getrennt zu beurteilen sind (vgl. BFH, Urteil vom 19.9.1995, IX R 37/93, BStBl II 1996, 131).
3. Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehören auch alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind; Nebenentgelte sind durch das jeweilige Mietverhältnis veranlasst und gehören auch dann zu den steuerpflichtigen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, wenn sie Werbungskosten ersetzen (BFH, Urteil vom 14.12.1999, IX R 69/98, BStBl II 2000, 197). Einnahmen können dem Steuerpflichtigen auch dann zufließen, wenn der Schuldner die Zahlung an einen Dritten erbringt und damit eine Schuld des Steuerpflichtigen tilgt (abgekürzter Zahlungsweg; vgl. BFH, Urteil vom 3.12.2002, IX R 14/00, BFH/NV 2003, 468).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.9.2003, IX R 9/03