Jeder Mitarbeiter ist Teil eines Systems und verhält sich in den wechselseitigen Beziehungen aufgrund seiner Persönlichkeit ganz individuell. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Einflussfaktoren, denen ein Mitarbeiter am Arbeitsplatz mehr oder weniger bewusst ausgesetzt ist, beschrieben und als Ursache für innere Kündigungen betrachtet. Dabei wird der Blick auf die wechselseitigen Beziehungen zwischen Mitarbeiter und Arbeitsumfeld, der betrieblichen Organisation und der Gesellschaft gerichtet. Neben diesen Einflussfaktoren stellt eine mangelhafte oder sogar fehlende Kommunikation eine weitere, wenn nicht sogar die bedeutendste Ursache für das Entstehen innerer Kündigung dar.
3.1 Umfeldeinflüsse auf Mitarbeiter
Abb. 2: Umwelteinflüsse auf Mitarbeiter
Einfluss Gesellschaft: Der Einfluss der Globalisierung und zunehmenden Digitalisierung auf gesellschaftliche Prozesse verändert ebenso die Arbeitswelt. Arbeitsplätze verschwinden und neue Berufsfelder entstehen. Der Einzelne orientiert sich mehr oder weniger an den neuen Werten und reagiert mit neuen Erwartungen, Plänen und Veränderungswünschen.
- Wertewandel in der Gesellschaft führt zu Wertewandel in Wirtschaft und Unternehmen. Arbeitsplätze müssen diesen Werten gerecht werden, z. B. in Sachen Flexibilität, Nachhaltigkeit, Klimaschutz. Unternehmen beteiligen sich an globalen Entscheidungen und agieren weltumspannend. Im lokalen Unternehmen pulsieren so internationale Werte.
- Gesellschaft und der Umgang mit dem Alter hat unter anderem Einfluss auf die Wechselbereitschaft älterer Mitarbeiter (innere Kündigung eher als aussichtslose Arbeitslosigkeit, Gehalteinbußen wegen aktueller Überbezahlung oder aufgrund des Alters, Angst vor Überforderung im neuen Job aufgrund rasanter technologischer Entwicklungen).
- Gesellschaft und Wert der Freizeit durchdringt auch den Arbeitsplatz und gewinnt zunehmend mehr an Gewicht. Work-Life-Balance als Arbeitsmotto schafft neue Arbeitsmodelle wie z. B. Remote-Arbeitsplätze der digitalen Nomaden, die Reisen und Arbeit verbinden.
- Die Antwort der Gesellschaft auf die Coronapandemie hat neue Diskussionen um Demokratie und Selbstbestimmung entfacht und zur Auffrischung von New Work geführt, zu neuen Arbeitsmodellen und einem neuen Arbeitsverständnis. Unternehmen mussten lernen, ihre Mitarbeiter loszulassen, um sie zu binden (Home-Office, Teilzeitmodelle, Co-Working).
Einfluss Organisationsstrukturen: Innerbetriebliche Faktoren können die Leistungsbereitschaft des Mitarbeiters ebenfalls stark behindern und Entstehen innerer Kündigungen begünstigen:
- Keine oder nur geringe Möglichkeiten zur Selbstentfaltung und Persönlichkeitsentwicklung, wenig Selbständigkeit
- Keine abwechslungsreichen Tätigkeiten
- Fehlende flexible Arbeitszeitmodelle
- Geringe Einkommen
- Visionen und Strategien werden nicht geteilt und gelebt
- Misstrauenskulturen und ein autoritärer Führungsstil
- starre bzw. unflexible Organisationen, in denen es meist eine hohe Hierarchiestruktur, viele Regeln und Vorschriften und kostenintensive Entscheidungswege gibt
- Keine Mitsprache bei organisatorischen Veränderungen
- Unternehmenskrisen, z. B. wenn sich Strukturen, Strategien und Personenzuständigkeiten ändern
- Veränderungsprozesse werden nicht erklärt und/oder Mitarbeiter bezweifeln den Sinn der Veränderung und wirken daher nicht unterstützend
Einfluss Arbeitssituation/Führungsstil: Die unmittelbare Arbeitssituation und der Führungsstil haben die einflussreichste Wirkung auf den Mitarbeiter. Kollegen, ein Team, der Vorgesetzte und dessen Führungsstil, aber auch die Arbeitsaufgaben, der Arbeitsplatz und wie mit anderen Teams interagiert wird, beschreiben eine Arbeitssituation. Wie in diversen empirischen Studien herausgestellt wurde, hat der Vorgesetzte den größten Einfluss auf das Wohlbefinden und die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter. Das unterstreicht die Wichtigkeit von Führungskompetenzen und deren Wirksamkeit. In einer Gallup-Studie wurde die Fremd- und Eigenwahrnehmung von Führungskräften untersucht. Während 69 Prozent der Arbeitnehmer laut Befragung mindestens einmal einen schlechten Vorgesetzten hatten, halten sich 97 Prozent der Vorgesetzten für eine gute Führungskraft. Unter den Führungsfehlern werden in der Literatur gelistet:
- Keine angemessene Aufgabenpassung, Potentiale werden nicht richtig eingesetzt und auch nicht gefördert
- Wenig Anerkennung und Wertschätzung
- Destruktives Verhalten in kritischen Situationen
- Kein Vertrauen in die Mitarbeiter (z. B. zu viel Kontrolle)
- Anforderungen und Erwartungen werden nicht kommuniziert
- Informationen werden nicht weitergegeben, Kommunikationsbereitschaft fehlt
- Führungskraft delegiert wenig und Arbeitsabläufe verändern sich zulasten des Mitarbeiters
- Fehlende Mitbestimmung und keine Teilnahme der Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen
- Eingriffe in den Kompetenzbereich des Mitarbeiters, z. B. Rückdelegation
- Mangelhafte Zuwendung, keine Zeit für die Mitarbeiter
- Fehlende Kooperation mit dem Mitarbeiter, Abmachungen werden nicht eingehalten
- Willkür bei Beförderungen
- Kein Teamgeist...