Leitsatz
1. Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
2. Die Nachweispflichten des Unternehmers sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (Änderung der Rechtsprechung).
3. Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind.
4. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG 1999 vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise nicht erbrachte.
Normenkette
§ 6a UStG 1999, § 17a, § 17c UStDV 1999, Art. 22, Art. 28c Teil A der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger, ein Kfz-Händler, lieferte einen gebrauchten Mercedes-Benz an das Unternehmen L, Spanien. Nach Angaben des Klägers holte der beauftragte C aus F in Deutschland den Pkw im Auftrag der L ab, und der Kaufpreis wurde in bar gezahlt.
Das FA versagte die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung, nachdem die spanischen Finanzbehörden L als Scheinfirma beurteilt hatte, weil diese keine innergemeinschaftlichen Erwerbe versteuert, aber erhebliche Summen nach Deutschland überwiesen hatte. Außerdem berief sich das FA auf das Fehlen einer Vollmacht des C.
Das FG gab der Klage statt (EFG 2006, 453); es hielt den Beleg- und Buchnachweis für gegeben. Der Nachweis des Bestimmungsorts des Fahrzeugs ergebe sich aus der in der Rechnung ausgewiesenen Anschrift der L.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg, denn im Streitfall stand zweifelsfrei fest, dass der streitige Umsatz tatsächlich eine innergemeinschaftliche Lieferung und demnach steuerfrei war. Es kam deshalb nicht mehr darauf an, ob der Kläger seine Nachweispflichten vollständig erfüllt hatte.
Hinweis
1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen (im Regelfall des § 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG von einem Unternehmer an einen Unternehmer) voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist.
2. Das Besprechungsurteil betrifft einen Fall, in dem das FA die Unternehmereigenschaft des Abnehmers -- und damit die Steuerbefreiung -- mit dem Hinweis verneint hat, es handle sich bei dem Abnehmer im anderen Mitgliedstaat lediglich um einen "Scheinunternehmer", weil dieser nach entsprechenden Mitteilungen der Finanzverwaltung des anderen Mitgliedstaats keine innergemeinschaftliche Lieferungen oder gar keine USt angemeldet hatte. Die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten ist aber -- wie der BFH in der Besprechungsentscheidung erneut bestätigt hat -- kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft. Auch hängt die Steuerbefreiung nicht davon ab, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist.
3. Nach § 6a Abs. 3 UStG muss der Unternehmer die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachweisen. Diese Anforderungen sind zwar mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Collée" (Urteil vom 27.09.2007, C-146/05, BFH-PR 2007, 468) nicht vereinbar war aber die bisherige Rechtsauffassung, diese Nachweispflichten seien materielle Voraussetzung für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung mit der Folge, dass allein deren Nichterfüllung der Steuerbefreiung entgegenstand.
Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen zwar, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat. Allein der Umstand, dass der Unternehmer die Nachweispflichten nicht vollständig erfüllt hat, rechtfertigt deshalb nicht die Versagung der Steuerbefreiung, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der streitige Umsatz eine innergemeinschaftliche Lieferung ist, weil der Gegenstand tatsächlich in den betreffenden Mitgliedstaat verbracht worden ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.11.2007, V R 72/05