Leitsatz
1. Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
2. Die Nachweispflichten des Unternehmers sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (Änderung der Rechtsprechung).
3. Kommt der Unternehmer diesen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind.
4. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise nicht entsprechend §§ 17a, 17c UStDV erbrachte.
Normenkette
§ 6a UStG, § 17a, § 17c UStDV, Art. 22, Art. 28c Teil A der 6. EG-RL
Sachverhalt
Lediglich aus Gebietsschutzgründen lieferte ein Autohändler (B) nicht unmittelbar an seinen belgischen Auftraggeber, sondern schaltete zum Schein einen Zwischenhändler (S) ein. Genauso wurde der Vorgang von den Beteiligten "ordnungsgemäß" umsatzsteuerrechtlich abgewickelt.
Das FA deckte den Hintergrund auf und versagte S wegen der Scheinlieferung den Vorsteuerabzug. Die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung des B versagte es unter Hinweis darauf, dass die Nachweispflichten nicht eingehalten seien.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision des B statt. Die Entscheidung konnte nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache "Collee" nicht überraschen.
Hinweis
1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung setzt neben den Anforderungen an den Abnehmer voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist. Ohne Bedeutung für die Befreiung ist dagegen, ob der innergemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat tatsächlich besteuert worden ist.
2. Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, ist zwar mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Nicht vereinbar war aber nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Collée" die bisherige Rechtsprechung, dass diese Nachweispflichten materielle Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung sind. Allein mit der Begründung, die gesetzlichen Nachweispflichten seien nicht erfüllt worden, darf die Befreiung deshalb nicht versagt werden, wenn -- wie in dem Besprechungssachverhalt -- zweifelsfrei feststeht, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt.
3. Für die Annahme, die Anforderungen in § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV seien irrelevant, gibt die Entscheidung jedoch keinen Anhaltspunkt.
Im Besprechungsfall stand aufgrund der bei B und S vorhandenen Unterlagen (Kaufverträge, Schriftverkehr etc.) zweifelsfrei fest, wer, wann, welche Fahrzeuge erworben hatte und wohin sie geliefert wurden. Eine Gefährdung des Steueraufkommens stand auch nicht andeutungsweise im Raum.
Bestehen aufgrund konkreter Umstände Zweifel daran, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind, dürfte auch die nachträgliche Erfüllung der Nachweispflichten nicht weiterhelfen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.12.2007, V R 59/03(Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 27.09.2007, Rs. C-146/05, Collée, BFH-PR 2007, 468)