Leitsatz
Ein GmbH-Geschäftsführer haftet bei nicht fristgerechter Umsatzsteuererklärung nur in Höhe der anteiligen Tilgungsquote, wenn zu Beginn des Haftungszeitraums ein Insolvenzantrag gestellt und die Zahlungsunfähigkeit der GmbH festgestellt wurde sowie die legitime Umsatzsteuernachforderung auf - nicht pflichtwidrig - umsatzsteuerfrei belassene Umsätze beruht.
Sachverhalt
Der Kläger (K), Geschäftsführer einer GmbH, hatte für diese die USt-Erklärung 1999 nicht bis zum 30.6.2000 und die USt-Voranmeldung für das 2. Quartal 2000 nicht bis zum 10.07.2000 eingereicht. Da er deswegen seine Sorgfaltspflichten grob fahrlässig verletzt habe, nahm ihn das Finanzamt im Umfang von 16.839,79 EUR persönlich in Haftung (§ 69 i. V. m. § 34 AO 1977). Der höchstrichterlich entwickelte Grundsatz der anteiligen Tilgung gelte jedoch nicht. Im September 1999 hatte K den zu diesem Zeitpunkt bereits abberufenen Mitgeschäftsführer F als freien Mitarbeiter mit der kaufmännischen Leitung gegen ein Honorar beauftragt. Da F unter Ausnutzung seiner alleinigen Bankvollmacht der GmbH gewährte Fördermittel von 1,4 Mio. DM veruntreut hatte, sei die GmbH hierdurch zahlungsunfähig geworden. Am 28. Juni 2000 stellte K für die GmbH Insolvenzantrag. Der erst am 13.7.2000 bestellte Insolvenzverwalter stellte deren Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung fest. K habe sich jedoch nicht mehr in der Lage gesehen, die drohende Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Steuerrechtlich sei, zumindest für das 1. Halbjahr, allein F verantwortlich gewesen.
Entscheidung
Das FG sieht beim Kläger den Haftungstatbestand des § 69 Satz 1 AO 1977 sowohl objektiv als auch subjektiv als verwirklicht an. Für den Zeitraum vor der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters am 13.6.2000 war K persönlich verantwortlich. Übt ein freier, zudem ungeeigneter Mitarbeiter die kaufmännische Leitung der GmbH gegen Honorar aus, so obliegt dem Geschäftsführer darüber die Aufsichtspflicht. Höchstrichterlich ist jedoch geklärt, dass sich die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für Betriebssteuern auf den Betrag, mit dem die Gesellschaft bei unzureichender Liquidität im Zeitpunkt der (ggf. fiktiven) Fälligkeit der Steueransprüche das Finanzamt gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt hat ("anteilige Tilgungsquote"), beschränkt. Erforderlich ist jedoch, dass vor dem Haftungszeitraum der Insolvenzantrag gestellt wurde und der Insolvenzverwalter für diesen Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung festgestellt hat. Die erklärten Umsatzangaben dürfen außerdem nicht pflichtwidrig erfolgt sein. Das Finanzamt ist, um die anteilige Tilgungsquote zu ermitteln, verpflichtet, die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten im Zeitpunkt der (fiktiven) Fälligkeit der Steuerschulden, der Höhe der Steuerschulden sowie der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen festzustellen. Der Senat schätzt die Tilgungsquote für den Haftungszeitraum 30.6.-12.7.2000 auf 10 % der rückständigen Abgabenverbindlichkeiten. Der Haftungsbescheid gegen den Kläger war dennoch aufzuheben, weil dieser verfahrensfehlerhaft zustande kam. Der Beklagte hat das Auswahlermessen bezüglich der Haftungsschuldner fehlerhaft ausgeübt, indem er den vorläufigen Insolvenzverwalter als "weichen" Verwalter ohne Entscheidungsbefugnis hinsichtlich des Vermögens der GmbH und damit nicht als Haftungsschuldner angesehen hat. Das Gericht hob daher den Haftungsbescheid auf.
Hinweis
Geschäftsführer sollten bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der GmbH, auch im Hinblick auf die steuerrechtlichen Pflichten, unverzüglich handeln. Stellt der Geschäftsführer nicht fristgerecht einen Insolvenzantrag, und wurden pflichtwidrig falsche Angaben in der Steuererklärung gemacht, so kommt die anteilige Tilgungsquote nicht in Betracht. Der Geschäftsführer riskiert die volle Haftungsinanspruchnahme.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 02.07.2009, 9 K 2590/03