Lt. § 102 StaRUG müssen Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten, diesen auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 InsO und die sich daran anknüpfenden Pflichten der Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane hinweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und sie annehmen müssen, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist. Lt. Gesetzesbegründung ist § 102 StaRUG eine klarstellende Regelung zur Rechtsprechung des BGH; neue Pflichten und Haftungstatbestände sind mit § 102 StaRUG nicht verbunden.
§ 1 StaRUG regelt die Überwachungspflichten der Geschäftsleiter zu Entwicklungen, die den Fortbestand der juristischen Person gefährden können (Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern). Das rechtzeitige Erkennen einer Insolvenzreife und die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrags sind für den Geschäftsführer zur Vermeidung seiner Haftung zwingend. Weisungen des Gesellschafters können Zahlungen des Geschäftsführers nach Insolvenzreife regelmäßig nicht rechtfertigen.
Der mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater ist verpflichtet zu prüfen, ob sich – auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände – tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Hingegen ist er nicht verpflichtet, von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und die hierfür erheblichen Tatsachen zu ermitteln. Der BGH hat zulasten des Steuerberaters die bisherige Rechtsprechung verschärft bzw. geändert. Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Steuerbilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung. Bei einem Mandat zu allgemeiner steuerlicher Beratung besteht laut früherer BGH-Rechtsprechung keine Hinweispflicht des Steuerberaters auf einen Insolvenzgrund. Tritt der Steuerberater bei einem rein steuerrechtlichen Mandat in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der von ihm beratenen Gesellschaft ein, ohne die Frage nach dem Insolvenzgrund zu beantworten, hat er das Vertretungsorgan darauf hinzuweisen, dass eine verbindliche Klärung nur erreicht werden kann, indem ihm oder einem fachlich geeigneten Dritten ein entsprechender Prüfauftrag erteilt wird. Prüft der Steuerberater die insolvenzrechtliche Überschuldung der Gesellschaft und stellt hierbei auf eine bestehende Rangrücktrittsvereinbarung ab, so muss er nicht die zivilrechtliche Wirksamkeit der Rangrücktrittsvereinbarung prüfen. Ein Sanierungsberater muss nicht auf die Insolvenzreife der Schuldnerin hinweisen, sofern er mit konkreten, abschließend aufgelisteten Leistungspflichten unter Ausschluss steuerlicher und rechtlicher Angelegenheiten beauftragt wurde. Ein Sanierungsberater mit spezifischen Fachkenntnissen nimmt bei umfassender Beauftragung nach IDW S6 – Standard ein besonderes Vertrauen in Anspruch, wie es wirtschaftsprüfenden Professionen mit besonderem gesetzlich geregelten Haftungsregime entgegengebracht wird. Eine klauselmäßige Beschränkung dessen Haftung für eine Verletzung der zentralen Hauptpflichten auf grobe Fahrlässigkeit neben einer höhenmäßigen Beschränkung benachteiligt den Auftraggeber unbillig und ist wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam.