Dipl.-Finw. (FH) Thomas Rupp
6.9.5.1 Allgemeines
Tz. 2049
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Soweit nicht die abkommensrechtlichen Rückfallklauseln gelten (s Tz 2027ff), gilt der Grundsatz der virtuellen Vermeidung der Doppelbesteuerung nach der Freistellungsmethode, dh es bedarf keines Nachweises der tats Besteuerung im Ausl (s Urt des BFH v 23.10.1996, BStBl II 1997, 313).
Als Reaktion sowohl auf diese Rspr als auch der damaligen ›Wirkungslosigkeit› der DBA-Rückfallklauseln (s Tz 2030ff) erfolgte mit dem JStG 2007 in § 50d Abs 9 EStG die Einf einer nationalen Rückfallklausel sowohl für Qualifikationskonflikte als auch für Fälle des unlauteren St-Wettbewerbs, wenn der ausl Staat St-Vergünstigungen nur ausl Unternehmen gewährt.
Wie bereits dargelegt (s Tz 2038ff), kann es zu einer völligen Nichtbesteuerung oder Niedrigerbesteuerung (Quellen-St statt Tarif-St) der Eink kommen, wenn die beiden Vertragsstaaten
- von unterschiedlichen Sachverhalten ausgehen,
- das Abkommen unterschiedlich auslegen oder
- die Abkommensbegriffe nach ihrem nationalen Recht auslegen.
6.9.5.2 Regelungsbereiche und Verhältnis zu anderen Vorschriften
Tz. 2050
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Die Regelung des § 50d Abs 9 EStG kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Verhältnis zu anderen Rückfallklauseln geprüft werden.
Tz. 2051
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
vorläufig frei
6.9.5.3 Der erste Hauptanwendungsfall der Qualifikationskonflikte
6.9.5.3.1 Begriff der Qualifikationskonflikte
Tz. 2052
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Wie sich aus der Ges-Begr ergibt, betrifft der Hauptanwendungsfall sog Qualifikationskonflikte den Bereich der DBA. Qualifikationskonflikte resultieren aus einer nicht übereinstimmenden Abkommensanwendung durch die Vertragsstaaten; dies kann unterschiedliche Ursachen haben, s. Tz 2053ff.
6.9.5.3.2 Fallgruppen
Tz. 2053
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Fallgruppe 1:
Inl- und ausl Fin-Beh gehen von einer unterschiedlichen Sachverhaltsbeurteilung aus.
Beispiel:
Ein Unternehmen eines Staates übt eine Tätigkeit im anderen Staat durch eine dort gelegene BetrSt aus. Ein Staat betrachtet die Tätigkeit als Hilfstätigkeit, der andere Staat als Haupttätigkeit.
Tz. 2054
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Fallgruppe 2:
Inl und ausl Fin-Beh wenden unterschiedliche Abkommensbestimmungen an, weil sie die Abkommensbestimmungen selbst unterschiedlich auslegen.
Beispiel:
Eine in einem Staat ansässige Person erhält Vergütungen für CD-Aufnahmen, die während einer Konzertreise im anderen Staat entstanden sind. Ein Staat betrachtet die Vergütungen als Lizenzgebühren iSd Art 12 OECD-MA, der andere als Eink aus künstlerischer Tätigkeit iSd Art 17 OECD-MA.
Tz. 2055
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Fallgruppe 3:
Inl und ausl Fin-Beh wenden unterschiedliche Abkommensbestimmungen an, weil sie entspr Art 3 Abs 2 OECD-MA Abkommensbegriffe nach ihrem nationalen Recht auslegen.
Beispiel:
Ein Staat behandelt Sondervergütungen, die der Gesellschafter einer Pers-Ges von der Gesellschaft bezieht (zB Zinsen für ein Darlehen) als Unternehmens-Eink, der andere als Zinsen.
6.9.5.4 Die steuerliche Prüfungsreihenfolge
Tz. 2056
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Die stliche Behandlung derartiger Qualifikationskonflikte ist iR einer Stufenbetrachtung vorzunehmen:
1. |
Prüfungsebene: Enthält das DBA Sonderregelungen (Switch-over-Regelung)? |
Tz. 2057
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Verschiedene DBA (in Europa: Estland, Lettland, Litauen, Niederlande [2016], Norwegen) enthalten Klauseln zum Übergang auf die Anrechnungsmethode (sog Switch-over-Klauseln). Diese Regelungen sollen Doppelbesteuerungen, Doppelfreistellungen oder die Besteuerung zu einem durch das DBA begrenzten St-Satz verhindern, die ihre Ursache in der Anwendung unterschiedlicher Abkommensbestimmungen haben. Die Gründe für den Konflikt sind ohne Bedeutung. Nach diesen Klauseln vermeidet D regelmäßig eine nach Durchführung eines Verständigungsverfahrens verbleibende Doppelbesteuerung (positiver Qualifikationskonflikt) durch Anrechnung der ausl St nach § 26 KStG. In Fällen doppelter Nichtbesteuerung oder der Besteuerung zu einem durch das DBA begrenzten St-Satz (negativer Qualifikationskonflikt) unterbleibt die Freistellung. Eine etwaige ausl St wird entspr § 26 Abs 1 oder Abs 2 KStG berücksichtigt.
2. |
Prüfungsebene: Das DBA enthält keine Sonderregelung |
Tz. 2058
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
In diesem Fall ist zu unterscheiden:
a) Positive Qualifikationskonflikte
Bei positiven Qualifikationskonflikten iSd Fallgruppe 3 folgt D als Ansässigkeitsstaat entspr Nr 32.3 und 32.4 zu Art 23 OECD-MK 2000 der Qualifikation des Quellenstaates (sog Rechtsfolgenverkettung). Danach wird die Doppelbesteuerung nach der Methode vermieden, die sich dafür im Methoden-Art des jeweiligen DBA für diese Eink ergibt.
b) Negative Qualifikationskonflikte
Auch für diese Unterfallgruppe erfolgte bislang eine Qualifikationsverkettung, allerdings nur hinsichtlich der Einordnung der Eink durch den Quellenstaat. Behandelte dieser die Eink nicht als Unternehmens-Eink, erfolgte keine Freistellung. Im Detail s Tz 1545ff.
Tz. 2059
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Gerade für eine derartige "Umqualifikation" wurde durch § 50d Abs 9 1. Alt EStG eine Rechtsgrundlage geschaffen.
6.9.5.5 Nachweisfragen
Tz. 2060
Stand: EL 89 – ET: 03/2017
Falls trotz Hinw auf die erweiterten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs 2 AO kein Nachw einer Besteuerung durc...