Begriff der Funktionsverlagerung
Der Begriff der Funktionsverlagerung ergibt sich aus § 1 Abs. 3 Satz 9 AStG a. F. Eine Funktionsverlagerung liegt hiernach vor beim Übergang einer Funktion von einem Unternehmen (verlagerndes Unternehmen) auf ein nahestehendes Unternehmen (übernehmendes Unternehmen) unter Nutzung oder Erwerb von Wirtschaftsgütern und sonstigen Vorteilen des verlagernden Unternehmens (Transferpaket). Die Funktionsverlagerung wird allgemein auch in Anlehnung an § 6 AStG als betriebliche Wegzugsbesteuerung bezeichnet. Hierbei ist grundsätzlich unerheblich, ob das funktionsabgebende Unternehmen die Funktion selbst noch weiter ausüben könnte – vgl. auch nachfolgend die Erläuterung zur Behandlung von sog. Funktionsverdoppelungen.
Begriff der Funktion
Der für eine Gewinnrealisierung maßgebende Begriff der Funktion war hingegen bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2021 nicht gesetzlich normiert. Anhaltspunkte ergeben sich allerdings aus der Begründung zur FVerlV a. F.
Eine Funktion ist hiernach eine Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Verständlicher ist die Erläuterung von Blumers, wonach Funktionen die vielfältigen Teilaufgaben sind, die im Rahmen einer Wertschöpfungskette ausgeübt werden. Betriebswirtschaftlich ist unter Funktion die Tätigkeit und Verantwortlichkeit zu verstehen, die ein Unternehmen im Rahmen aller für eine Leistungserbringung erforderlichen Schritte übernimmt. Die Finanzverwaltung definiert den Begriff in Rz. 14 der Verrechnungspreis-Verwaltungsgrundsätze 2021:"Eine Funktion ist eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von Personal in bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Eine Funktion ist ein organischer Teil eines Unternehmens, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne vorliegen muss. Einzelne Funktionen sind das Ergebnis der Aufgabenteilung innerhalb eines Unternehmens. Die jeweiligen Aufgaben müssen nicht sämtliche, für die Wertschöpfung wichtigen Elemente umfassen [...]."
Funktionen sind daher auch als Ergebnis der Aufgabenteilung im Unternehmen definierbar.
Dabei ist es ausreichend, wenn die betroffenen Teilaufgaben einen inneren wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhang erkennen lassen und sich für die beteiligten Unternehmen konkrete Zahlungsflüsse identifizieren lassen. Betrachtungsgegenstand ist nicht nur das verlagernde, sondern auch das übernehmende Unternehmen.
Hauptanwendungsfälle einer Funktion
Als mögliche betroffene Bereiche definiert die Finanzverwaltung in einer nicht abschließenden Aufzählung: Geschäftstätigkeiten, die zur Geschäftsleitung, Forschung und Entwicklung, Materialbeschaffung, Lagerhaltung, Produktion, Verpackung, Montage, Bearbeitung oder Veredelung von Produkten, Qualitätskontrolle, Finanzierung, Organisation, Verwaltung, zum Vertrieb, Marketing, Transport, Kundendienst usw. gehören.
Abgrenzungsprobleme bei Hilfsfunktionen oder Teilbereichen
In der Praxis der Verrechnungspreisfestlegung ergibt sich die Frage, ab welcher betrieblichen Stufe einer Verlagerung von Aufgaben auf ein ausländisches verbundenes Unternehmen keine – die Transferpaketbetrachtung auslösende – Funktionsverlagerung vorliegt. Die Finanzverwaltung grenzt nicht zu Hilfsfunktionen oder Teilbereichen ab. So ist z. B. nicht eindeutig geklärt, ob bereits eine Produktionslinie oder nur ein Gesamtgeschäftsfeld bei einer Verlagerung die Rechtsfolgen auslöst. Vielmehr lautet eine Detailaussage in Rz. 16 der Verwaltungsgrundsätze 2021 :
"[...] Eine Funktion kann insoweit z. B. die Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe, der Vertrieb eines bestimmten Produkts, einer bestimmten Produktgruppe oder eine bestimmte Geschäftstätigkeit für eine bestimmte Region sein [...] ." Eine Beschränkung ergibt sich nach Auffassung der Verwaltung nur, wenn keine organische Einheit vorliegt. Einen ersten Anhaltspunkt bietet hier die Negativabgrenzung nach § 1 Abs. 4 FVerlV a. F. Hiernach liegt keine Funktionsverlagerung in folgenden Fällen vor:
- nach Veräußerung oder Überlassung einzelner Wirtschaftsgüter;
- Arbeitnehmerentsendungen im Konzern, wenn damit keine Übertragung von Unternehmensfunktionen verbunden ist;
- Verrechnungspreisabrechnung auf Cost-Plus-Basis;
- insbesondere Einschaltung eines Lohn- oder Auftragsfertigers.
Zu den letzt genannten Fällen vgl. auch nachfolgend Abschn. 4.1.3 Praxisprobleme und Rechtsprechung.
In einem 2. Schritt könnte auch noch untersucht werden, ob bei einer dem Grunde nach vorliegenden Funktionsverlagerung in Folge des § 1 Abs. Satz 9 AStG und § 1 Abs. 7 FVerlV a. F. anstelle der Transpaketbetrachtung die Einzelbewertung möglich ist. Vgl. hierzu den gesonderten Beitrag Funktionsverlagerung – Ausnahme der Einzelabrechnung.