Leitsatz
Wird ein Kind aus Krankheitsgründen in einem Internat untergebracht, können die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, sofern ein vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten die Notwendigkeit des Internatsbesuchs belegt.
Sachverhalt
Die Kosten für die Unterbringung eines Kindes in einem Internat stellen grundsätzlich Aufwendungen für die Berufsausbildung dar, die durch den Freibetrag nach § 33 a Abs. 2 EStG abgegolten sind. Erfolgt die Unterbringung aus Krankheitsgründen, können die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, sofern ein vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten die Notwendigkeit des Internatsbesuchs belegt. Die Unterbringung eines Kindes aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen führt nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung. Schulgeldzahlungen können darüber hinaus als Sonderausgaben abgezogen werden; dies gilt auch für ausländische Schulen im Gemeinschaftsgebiet. Allerdings darf die Höhe des Schulgeldes nicht den allgemeinen Zugang zur Schule verhindern.
Fraglich sind der Nachweis der medizinisch notwendigen Unterbringung des Kindes im Internat und die Zugänglichkeit zu dieser Schule. Das mit einem IQ von 133 hochbegabte Kind verweigerte die Schule und verhielt sich Mitschülern gegenüber aggressiv. Der Allgemeine Sozialdienst empfahl daher im August 1999 einen Besuch der Cademuir International School in Schottland. Die Notwendigkeit für den Besuch einer Schule für Hochbegabte bescheinigten die Hausärztin im September 1999 und ein Nervenarzt im Juli 1999. Der Amtsarzt stellte im Juni 2002 fest, dass das Kind ausschließlich aufgrund seiner Erkrankung auf den Besuch einer Privatschule mit individueller Förderung angewiesen sei. Das hochbegabte Kind besuchte das schottische Internat seit August 1999. Die Aufwendungen hierfür betrugen im Jahr 2001 = 26.390 EUR und im Jahr 2002 = 23.457 EUR. Die Eltern erhielten für die Zeit vom August 1999 bis August 2003 Jugendhilfe in Höhe von 60.907 EUR.
Entscheidung
Das FG erkannte für die Kalenderjahre 2001 und 2002 weder eine krankheitsbedingte außergewöhnliche Belastung noch einen Sonderausgabenabzug an. Hinsichtlich der außergewöhnlichen Belastung mangelte es nach Ansicht der Richter an einem vor dem Besuch der Schule bzw. vor Beginn des Schuljahres ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachten. Bei der Hausärztin und bei dem Nervenarzt handelt es sich nicht um einen Amtsarzt oder um eine andere amtliche Stelle, so dass deren Gutachten nicht beachtet werden kann. Das Gutachten des Allgemeinen Sozialdienstes stellt zwar ein vor der Internatsunterbringung ausgestelltes Gutachten dar, doch wird darin nicht festgestellt, dass die Unterbringung in dem schottischen Internat zur Heilung oder Linderung einer Heilbehandlung unabdingbar notwendig war. Das nachträgliche Gutachten des Amtsarztes kann nicht ausnahmsweise anerkannt werden, weil er seine Stellungnahme nicht aufgrund objektiver, ihm vorliegender, apparatemedizinischer Untersuchungen erstellt hat, sondern lediglich auf Schilderungen und subjektiven Beurteilungen anderer behandelnder Ärzte und der ihm überlassenen Gutachten stützte.
Der Schulgeldabzug scheiterte an der Höhe der Aufwendungen. Das FG ging von dem durchschnittlichen Nettojahresverdienst anhand des Statistischen Jahrbuches, der bei doppelt verdienenden Ehepaaren mit zwei Kindern im Jahr 2000 bei 40.663 EUR und im Jahr 2004 bei 44.544 EUR lag, aus und kam zu dem Ergebnis, dass davon das jährliche Schuldgeld für die Cademuir International School nicht finanziert werden kann; der Zugang zu dieser Schule also nur wirtschaftlich besser gestellten Kindern vorbehalten ist. Die gewährte Jugendhilfe schied das FG bei der Frage nach der Zugänglichkeit zu dem besagten Internat aus.
Hinweis
Entscheidend für den Abzug von Internatskosten ist ein amtsärztliches Attest, das vor dem Beginn des Internatsbesuchs eingeholt wird. Inhaltlich muss darin bescheinigt werden, dass die Internatsunterbringung zur Heilung oder Linderung einer bestimmten Krankheit oder gesundheitlichen Störung notwendig ist. Die Eltern sollten sich daher so früh wie möglich um eine solche Bescheinigung kümmern. Die Notwendigkeit des Internatsbesuchs wird sicherlich die eigentliche Grundlage für die elterliche Entscheidung für diesen Schulwechsel sein. Deshalb ist es ratsam, bereits im Vorfeld darauf zu bestehen, dass der Allgemeine Sozialdienst oder der Schulpsychologische Dienst nicht nur eine Empfehlung ausspricht, sondern auch zur Notwendigkeit Stellung nimmt oder ein amtsärztliches Verfahren einleitet. Sollte das amtsärztliche Gutachten trotzdem erst nachträglich erstellt werden, ist darauf zu achten, dass die Internatskosten für das nächste Schuljahr abziehbar sind.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 29.05.2008, 15 K 3058/05