Der Fall
Im November 2017 veröffentlichte der Arbeitgeber über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit eine Stellenausschreibung, nach der eine bestimmte Stelle zu besetzen war. Der mit einem GdB von 50 schwerbehinderte Arbeitnehmer bewarb sich im November 2017 unter Angabe seiner Schwerbehinderung auf die ausgeschriebene Stelle. Mit Schreiben vom 11.4.2018 teilte ihm der Arbeitgeber mit, dass er sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Zu einem Vorstellungsgespräch war der Arbeitnehmer nicht eingeladen worden.
Der Arbeitnehmer machte fristgerecht einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beim Arbeitsgericht geltend, dieser blieb erfolglos.
Das BAG sprach dem Arbeitnehmer eine Entschädigung von knapp 7000 EUR zu. Der Arbeitgeber habe gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, die dem Schutz und der Förderung von schwerbehinderten Menschen im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens dienen. Damit besteht die Vermutung, dass er den Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt habe.
Vorliegend hat das BAG zwei Verfahrensverstöße erkannt
Zum einen hat der Arbeitgeber die Stelle nicht ordnungsgemäß bei der Agentur für Arbeit gemeldet, wozu er als öffentlicher Arbeitgeber nach § 165 SGB IX, als privater Arbeitgeber aber ebenso nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, verpflichtet ist. Eine ordnungsgemäße Meldung i. S. v. § 165 Satz 1 SGB IX setzt die Erteilung eines Vermittlungsauftrags an die nach § 187 Abs. 4 SGB IX bei der Agentur für Arbeit eingerichteten besonderen Stellen unter Angabe der Daten, die für einen qualifizierten Vermittlungsvorschlag erforderlich sind, voraus. Es reicht nicht aus, das Stellenangebot nur über die Jobbörse der Agentur für Arbeit veröffentlicht zu haben. Dieser Umstand begründet die Vermutung, dass der Kläger die unmittelbare Benachteiligung i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat.
Ferner hat der Arbeitgeber im vorliegenden Fall den Personalrat nicht darüber informiert, dass es sich beim Kläger um einen schwerbehinderten Bewerber gehandelt hat. Auch das begründet die Vermutung nach § 22 AGG für eine Benachteiligung des Arbeitnehmers.
Ein Sammeln der eingegangenen Bewerbungen und späteres gebündeltes Weiterleiten an die Schwerbehindertenvertretung oder die in § 176 SGB IX genannten Stellen ist nicht "unmittelbar nach Eingang".
Bedeutung für die Praxis
Haben öffentliche wie auch private Arbeitgeber eine Stelle zu besetzen, so müssen sie der Agentur für Arbeit einen Vermittlungsauftrag erteilen und die Stelle nicht nur in die Jobbörse einstellen. Der Vermittlungsauftrag muss das Anforderungsprofil an die Stelle beschreiben. In der Regel ist dazu die persönliche Kontaktaufnahme mit der Agentur für Arbeit erforderlich; neuerdings ist auch eine internetgestützte Kontaktaufnahme möglich.
Zudem ist zu beachten, dass "Sammelmeldungen" der Bewerbungen schwerbehinderter Menschen gegenüber der Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitnehmervertretung einen Verfahrensverstoß darstellen und damit die Vermutung der Benachteiligung nach sich ziehen.
Zu beachten ist auch, dass für den Fall, dass es keine örtliche Schwerbehindertenvertretung gibt, deren Aufgabe von der Gesamt- oder Konzernschwerbehindertenvertretung nach § 180 Abs. 6 SGB IX wahrgenommen werden.