Abgelehnter schwerbehinderter Bewerber hat Anspruch auf Entschädigung
Bei Bewerbungen von Schwerbehinderten müssen Arbeitgeber einiges beachten, um keine Entschädigungszahlungen zu riskieren. Dies gilt in besonderem Maße für öffentliche Arbeitgeber, die den besonderen Pflichten nach dem SGB IX unterliegen. Nach BAG-Rechtsprechung begründen Verstöße gegen Vorschriften, die Verfahrens- beziehungsweise Förderpflichten zugunsten Schwerbehinderten enthalten, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Der vorliegende Fall zeigt, dass dies auch gilt, wenn ein öffentlicher Arbeitgeber es - entgegen seiner Pflicht nach § 165 SGB IX - versäumt, der zuständigen Arbeitsagentur zu melden, dass ein möglicher Arbeitsplatz für Schwerbehinderte neu zu besetzen ist.
Stellenausschreibung in Jobbörse veröffentlicht
Der Arbeitgeber, ein Landkreis, veröffentlichte die Stellenausschreibung über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit. Gesucht wurde ein "Amtsleiter/in Rechts- und Kommunalamt (Jurist/in)" um dort ab 1. Februar 2018 einen "Arbeitsplatz als Führungskraft" neu zu besetzen. Dies beinhalte die Leitung des Rechts- u. Kommunalamts mit seinerzeit circa 20 Bediensteten. Erwartet werde ein abgeschlossenes weiterführendes wissenschaftliches Hochschulstudium in der Fachrichtung Rechtswissenschaften beziehungsweise das zweite juristische Staatsexamen (Volljurist/in) sowie mehrjährige einschlägige Berufserfahrung und mehrjährige einschlägige Führungserfahrung vorzugsweise in einer vergleichbaren Führungsposition hinsichtlich der Führungsspanne und des Aufgabenbereichs im kommunalen Bereich.
Bewerbung eines Schwerbehinderten bleibt ohne Erfolg
Ein schwerbehinderter Jurist bewarb sich im November 2017 auf diese Stelle – jedoch ohne Erfolg. Er wurde erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, dann folgte Mitte April 2018 die Absage. Daraufhin wandte sich der abgelehnte Bewerber mit einer Beschwerde nach § 13 AGG an den Landkreis. Er beanstandete, als schwerbehinderter Bewerber bereits im Vorverfahren des Bewerbungsverfahrens nicht berücksichtigt worden zu sein. Zudem machte er – erfolglos – einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Auf seine Beschwerde erhielt er vom Landkreis keine Antwort.
Schwerbehinderter Bewerber fordert Entschädigung wegen Diskriminierung
Vor Gericht machte er einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Er war der Auffassung, dass der Landkreis ihn wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert habe. Dies folge zum einen daraus, dass der Arbeitgeber den freien Arbeitsplatz nicht den Vorgaben von § 165 Satz 1 SGB IX entsprechend der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet habe, zum anderen, weil er ihn entgegen der Verpflichtung aus § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe – und das, obwohl ihm die fachliche Eignung nicht offensichtlich gefehlt habe.
Auch dass der Arbeitgeber auf die Beschwerde nicht reagiert habe, begründe die Vermutung, dass er wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt worden sei. Der Landkreis war dagegen der Ansicht, dass er dem abgelehnten Bewerber unter keinem Gesichtspunkt eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG schulde.
BAG: Arbeitgeber muss Entschädigung wegen Benachteiligung zahlen
Die Vorinstanzen gaben dem Arbeitgeber recht. Das Bundesarbeitsgericht hat dagegen entschieden, dass der Arbeitgeber den Bewerber wegen der Schwerbehinderung benachteiligt hat. Daher schulde er ihm die Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.
Das BAG begründete seine Entscheidung damit, dass der Arbeitgeber es entgegen § 165 Satz 1 SGB IX unterlassen habe, den ausgeschriebenen, mit schwerbehinderten Menschen besetzbaren Arbeitsplatz der zuständigen Agentur für Arbeit zu melden. Die Veröffentlichung des Stellenangebots über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit stelle keine solche Meldung dar.
Vermutete Benachteiligung bei fehlender Meldung eines Arbeitsplatzes für Schwerbehinderte
Aus Sicht des Gerichts begründete allein der Umstand der unterlassenen Meldung die Vermutung, dass der Bewerber im Auswahl- und Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt wurde.
Daher kam es für die obersten Arbeitsrichter nicht mehr darauf an, ob weitere Verstöße gegen die zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten vorlagen. Ebenso dahinstehen konnte, ob die unterbliebene Beantwortung der Beschwerde ein Indiz nach § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung sein konnte.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. November 2021, Az: 8 AZR 313/20; Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 11. März 2020, Az: 5 Sa 414/18
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