0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift des § 110b bildet zusammen mit den Regelungen der §§ 110a und 110c den Neunten Abschnitt des SGB IV. Er wurde dem SGB IV durch Art. 47 Nr. 4, Art. 74 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsrechtlicher Vorschriften (VwVfÄndG) v. 21.8.2002 (BGBl. I S. 3322) unter der Überschrift "Aufbewahrung von Unterlagen" mit Wirkung ab 1.2.2003 eingefügt. § 110b gilt seither unverändert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschriften der §§ 110a bis 110d sind im Zusammenhang mit dem VwVfÄndG und seinem Zweck zu sehen, das gesamte Verwaltungsrecht für den elektronischen Rechtsverkehr tauglich zu machen (vgl. § 110a). Die Vorschriften knüpfen an die hier einschlägigen neuen Vorschriften im SGB I und SGB X an und regeln – auf die Belange der Sozialversicherungsträger einschließlich der Bundesanstalt für Arbeit abgestellt – die Fragen, was in Anbetracht der von den Leistungsträgern genutzten Mittel der elektronischen Datenverarbeitung für Aufbewahrung und Aufbewahrungsfristen, Akteneinsicht, Vernichtung und Rückgabe von Unterlagen sowie ihre Beweiswirkung zu gelten hat.
Rz. 3
Die Vorschrift des § 110b knüpft an § 110a an. Diese Vorschrift bietet als Grundnorm den Verwaltungsträgern die Möglichkeit, die modernen elektronischen Techniken für die Aufbewahrung ihrer Unterlagen dadurch zu nutzen, dass anstelle der schriftlichen Unterlagen die Daten als Wiedergabe auf dauerhaften Datenträgern verwahrt werden. Auf diese Weise sollen die Originalunterlagen überflüssig werden, um schließlich dem Ziel einer möglichst aktenlosen oder doch aktenarmen Verwaltung näher zu kommen. § 110b ist daher die notwendige Ergänzung zu § 110a. Die Vorschrift ermöglicht es – ebenso wie die Grundnorm des § 110a – dem Sozialversicherungsträger, Unterlagen zurückzugeben oder zu vernichten. Eine gesetzliche Verpflichtung wird dadurch jedoch nicht geschaffen (BT-Drs. 14/9000 S. 47). Sie erlaubt es, nicht mehr erforderliche Unterlagen in Papierform zurückzugeben oder zu vernichten (Abs. 1). Dafür stellt sie Regelungen zur Verfügung (Abs. 2 und 3), die jedoch nur subsidiär gelten und insbesondere nachrangig gegenüber den Vorschriften des Bundesarchivgesetzes und entsprechender Vorschriften der Länder sind.
2 Rechtspraxis
2.1 Grundsätze für den Umgang mit Unterlagen (Abs. 1)
Rz. 4
Die Vorschrift betrifft solche Unterlagen, die für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit des Verwaltungsträgers nicht mehr erforderlich sind. Mit dem Terminus der Erforderlichkeit hat das Gesetz, ähnlich wie in § 110a Abs. 1 bei dem Begriff der "ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Unterlagen", einen unbestimmten Begriff gewählt. Eine Konkretisierung erfolgt dadurch, dass das Gesetz den Spitzenverbänden der Träger der Sozialversicherung in § 110c den Auftrag erteilt hat, u. a. das Nähere zu den Voraussetzungen der Rückgabe und Vernichtung der Unterlagen zu vereinbaren.
Rz. 5
Den Begriff der Erforderlichkeit spezifiziert das Gesetz durch die beispielhafte Aufzählung folgender Unterlagen (Abs. 1 Satz 3)
- Unterlagen deren Aufbewahrungsfristen abgelaufen sind (Nr. 1),
- Unterlagen, die nach den Regeln des § 110a Abs. 2 als Wiedergabe auf einem maschinell verwertbaren dauerhaften Datenträger aufbewahrt werden (Nr. 2), sowie
- Unterlagen, die dem Verwaltungsträger vom Betroffenen oder von Dritten zur Verfügung gestellt wurden (Nr. 3).
Rz. 6
Gemäß Nr. 1 können Unterlagen nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen zurückgegeben oder vernichtet werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich bei Aufbewahrungsfristen allein um Regelungen zur Mindestdauer handelt. Nr. 2 ermöglicht die Rückgabe bzw. Vernichtung, wenn die Unterlagen von Datenträgern erfasst sind, um eine wirtschaftliche Aufbewahrung zuzulassen. Die Regelung in Nr. 3 ist hinsichtlich der Rückgabe an den Betroffenen unproblematisch, da diesem damit überlassen bleibt, die Unterlagen zu Beweiszwecken weiter aufzubewahren. Hinsichtlich der Vernichtung ist Nr. 3 – entgegen dem Wortlaut – dahin auszulegen, dass dies nur zulässig ist, wenn die Voraussetzungen nach Nr. 1 oder 2 vorliegen.
2.2 Interessen Dritter, von denen Unterlagen stammen (Abs. 2)
Rz. 7
Die Regelung nach Abs. 2 betrifft die Rückgabe von solchen Unterlagen, die einem Verwaltungsträger von
- Versicherten,
- Antragstellern oder
- anderen Stellen
zur Verfügung gestellt wurden. Dabei ist, je nachdem, ob ein RV-Träger oder ein anderer Verwaltungsträger die Unterlagen bekommen hat, zu unterscheiden:
Wurden die Unterlagen einem RV-Träger zur Verfügung gestellt, so hat dieser sie grundsätzlich nicht nur auf Anforderung, sondern von Amts wegen demjenigen oder der Stelle zurückzugeben, von dem die Unterlage stammte. Ausnahmsweise ist hier jedoch keine Rückgabe erforderlich, wenn die Unterlagen als Ablichtung oder Abschrift zur Verfügung gestellt wurden (Abs. 2 erster Satzteil). Wurden die Unterlagen dagegen einem anderen Verwaltungsträger zur Verfügung gestellt, so muss dieser sie (nur) auf Anforderung zurückgeben (Abs. 2 letzter Satzteil).
Der Gesetzgeber hat sich bei dieser Unterscheidung von der Erwägung leiten lassen, dass Urschriften, die ein RV-Träger für seine Arbeit benötigt, für das Versicherungsverhältnis d...