2.1 Auftrag an die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger (Abs. 1)
2.1.1 Das Gremium der Spitzenverbände
Rz. 5
Den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit weist Abs. 1 die Aufgabe zu, gemeinsam das Nähere zu den in §§ 110a und 110b enthaltenen Regelungen sowie zu den Vorschriften des E-Goverment-Gesetzes zu vereinbaren.
Mit diesem Auftrag wird dem verpflichteten Gremium eine Aufgabe zugewiesen, wie sie ihm von seinem Selbstverständnis her seit etwa fünf Jahrzehnten zukommt. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sind der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (§ 217a SGB V), die SVLFG (Art. 1 § 1 LSV-NOG), die DRV-Bund (§ 125 SGB VI) und die DGUV. Rein praktisch wirkt trotz § 125 Abs. 2 SGB V auch die DRV-Knappschaft-Bahn-See noch mit. Sie beraten regelmäßig über die Auslegung des von den beteiligten Verwaltungen anzuwendenden Rechts. Beispiele sind die Fragen des Beitragseinzuges, im Rahmen dessen die gesetzlichen Krankenkassen als Einzugsstellen fungieren, ebenfalls auch die Anwendung der Geringfügigkeitsbestimmungen der §§ 8, 8a. Die Beratungsergebnisse, die regelmäßig in den Rundschreiben des Gremiums bekannt gemacht werden haben sich als unentbehrliche Hilfen für die Praxis erwiesen. Die Vereinbarungen sind ihrem Rechtscharakter nach Verwaltungsvereinbarungen, stehen also im Rang unterhalb von Gesetzen.
2.1.2 Der Auftrag im Einzelnen
Rz. 6
Der den Spitzenverbänden erteilte Auftrag geht dahin, Näheres
- zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Aufbewahrung der Unterlagen i. S. des § 110a
- zu den Voraussetzungen der Rückgabe und Vernichtung von Unterlagen sowie
- zu den Aufbewahrungsfristen von Unterlagen
zu vereinbaren.
Damit sind im Grunde alle in den §§ 110a und 110b enthaltenen Regelungen angesprochen, denn Bestandteil dieser Regelungen sind entweder unbestimmte Rechtsbegriffe wie "Grundsätze ordnungsmäßiger Aufbewahrung" (§ 110a Abs. 1) oder "schutzwürdige Interessen des Betroffenen" (§ 110b Abs. 3) oder aber sehr allgemein gehaltene und daher ausfüllungsbedürftige Rahmenregelungen. Im Übrigen wird der weitere Ausbau der elektronischen Verwaltung zu einer Fülle von weiteren Zweifelsfragen führen – ein ureigenes Gebiet des Gremiums der Spitzenverbände.
Rz. 7
Zur Wirksamkeit der von den Spitzenverbänden zu treffenden Vereinbarungen ist, anders als das bei den Beratungsergebnissen dieses Gremiums üblicherweise der Fall ist, die Genehmigung der beteiligten Bundesministerien erforderlich (Abs. 1 Satz 4). Die Vereinbarungen können auf bestimmte Sozialbereiche beschränkt werden (Abs. 1 Satz 3).
Rz. 7a
Die Spitzenverbände haben seit dem 1.8.2013 auch Näheres zu den ergänzenden Vorschriften des E-Goverment-Gesetzes zu vereinbaren. Die Regelungen dieses Gesetzes sind zwar gegenüber §§ 110a ff. nachrangig. Soweit aber im E-Goverment-Gesetz weitergehende Regelungen enthalten sind, entfalten diese Geltung.
2.1.3 Bei der Vereinbarung zu beachtende Regelungen
Rz. 8
Die Vereinbarungen der Spitzenverbände müssen schutzwürdige Interessen der Betroffenen berücksichtigen. Mit dem Außerkrafttreten des Signaturgesetzes wird der – rein deklaratorische – Verweis auf dieses Gesetz gegenstandslos und entfällt. Es wird darauf verzichtet, die Vorschriften, in denen sich die Regelungsinhalte des früheren Signaturgesetzes finden – die Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73) oder das Vertrauensdienstegesetz – in § 110c ausdrücklich zu nennen, da sie als bindendes Recht ohnehin beim Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen zu berücksichtigen sind (BT-Drs. 18/12494).
2.2 Verordnungsermächtigung (Abs. 2)
Rz. 9
Die Vorschrift geht von der Vorrangigkeit der Spitzenverbandsvereinbarungen nach Abs. 1 aus, denn die Verordnungsermächtigung nach Abs. 2 greift (nur) ein, soweit Vereinbarungen nicht getroffen sind. Der Gesetzgeber geht auch davon aus, dass die Vereinbarungen zeitnah getroffen werden. Unmittelbar in zeitlichem Zusammenhang mit dem In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung ist daher nicht der Erlass einer Verordnung geplant (BT-Drs. 14/9000 S. 47).
Die subsidiär mögliche Verordnung nach Abs. 2 ermächtigt die Bundesregierung, das Nähere festzulegen über
- die Grundsätze ordnungsmäßiger Aufbewahrung i. S. v. § 110a
- die Rückgabe und Vernichtung von Unterlagen,
- die Dauer von allgemeinen Aufbewahrungsfristen für bestimmte Unterlagen.
Die Verordnung hat, wie dies auch für die Vereinbarungen der Spitzenverbände gilt, die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen zu beachten und bedarf der Zustimmung des Bundesrates.