0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift des § 110c bildet zusammen mit den Regelungen der §§ 110a und 110b den Neunten Abschnitt des SGB IV. Er wurde dem Gesetz durch Art. 47, Art. 74 Abs. 2 des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (VwVfÄndG) v. 21.8.2002 (BGBl. I S. 3322) unter der Überschrift "Aufbewahrung von Unterlagen" mit Wirkung zum 1.2.2003 eingefügt.
Durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften v. 25.7.2013 (BGBl I S. 2749) ist mit Wirkung zum 1.8.2013 Abs. 1 Satz 2 eingefügt worden. Durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93 EG v. 18.7.2017 (BGBl. I S. 2745) ist mit Wirkung zum 29.7.2017 Abs. 1 Satz 1 angepasst worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschriften der §§ 110a bis 110c sind im Zusammenhang mit dem VwVfÄndG und seinem Zweck zu sehen, das gesamte Verwaltungsrecht für den elektronischen Rechtsverkehr tauglich zu machen (vgl. § 110a). Die Vorschriften knüpfen an die hier einschlägigen neuen Vorschriften im SGB I und SGB X an und regeln – auf die Belange der SV-Träger einschließlich der Bundesagentur für Arbeit abgestellt – die Fragen, was in Anbetracht der von den Leistungsträgern genutzten Mittel der elektronischen Datenverarbeitung für Aufbewahrung und Aufbewahrungsfristen, Akteneinsicht, Vernichtung und Rückgabe von Unterlagen sowie ihre Beweiswirkung zu gelten hat.
Rz. 3
Grundnorm innerhalb des 9. Abschnitts ist dabei die Vorschrift des § 110a. Diese Vorschrift unter der Überschrift "Aufbewahrungspflicht" erklärt insbesondere die "Grundsätze ordnungsmäßiger Aufbewahrung" (Abs. 1) zur Richtschnur für die Aufbewahrung von Unterlagen und verwendet insoweit einen unbestimmten Rechtsbegriff. Sie betrifft im Übrigen vor allem die Voraussetzungen für eine anstelle der schriftlichen Unterlagen mögliche Verwahrung der Unterlagen als Wiedergabe auf Bildträgern oder anderen dauerhaften Datenträgern.
Die Vorschrift des § 110b wiederum betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen nach § 110a Abs. 2 überflüssig gewordene Unterlagen Dritten zurückgegeben oder vernichtet werden können. Auch diese Vorschrift ist allgemein gehalten. Sie bedarf ebenfalls für die Anwendung in der Praxis einer weiteren Präzisierung. Dies umso mehr, als auch hier mit einem unbestimmten Rechtsbegriff gearbeitet wird, wenn nämlich in Abs. 3 die Aktenvernichtung davon abhängig gemacht wird, dass keine "schutzwürdigen Interessen" Betroffener beeinträchtigt werden.
Rz. 4
Die Regelung in § 110c zielt auf eine einheitliche Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe wie überhaupt auf eine einheitliche Praxis der zahlreichen Verwaltungsträger bei Anwendung der Vorschriften des 9. Abschnitts. Sie erteilt in erster Linie den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit den Auftrag, durch Verwaltungsvereinbarungen das Nähere zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Aufbewahrung und den anderen zu klärenden Fragen zu regeln (Abs. 1).
Nur subsidiär ("soweit Vereinbarungen nicht getroffen sind") ermächtigt die Vorschrift die Bundesregierung, die erforderlichen Regelungen durch Rechtsverordnung zu treffen (Abs. 2).
2 Rechtspraxis
2.1 Auftrag an die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger (Abs. 1)
2.1.1 Das Gremium der Spitzenverbände
Rz. 5
Den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit weist Abs. 1 die Aufgabe zu, gemeinsam das Nähere zu den in §§ 110a und 110b enthaltenen Regelungen sowie zu den Vorschriften des E-Goverment-Gesetzes zu vereinbaren.
Mit diesem Auftrag wird dem verpflichteten Gremium eine Aufgabe zugewiesen, wie sie ihm von seinem Selbstverständnis her seit etwa fünf Jahrzehnten zukommt. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sind der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (§ 217a SGB V), die SVLFG (Art. 1 § 1 LSV-NOG), die DRV-Bund (§ 125 SGB VI) und die DGUV. Rein praktisch wirkt trotz § 125 Abs. 2 SGB V auch die DRV-Knappschaft-Bahn-See noch mit. Sie beraten regelmäßig über die Auslegung des von den beteiligten Verwaltungen anzuwendenden Rechts. Beispiele sind die Fragen des Beitragseinzuges, im Rahmen dessen die gesetzlichen Krankenkassen als Einzugsstellen fungieren, ebenfalls auch die Anwendung der Geringfügigkeitsbestimmungen der §§ 8, 8a. Die Beratungsergebnisse, die regelmäßig in den Rundschreiben des Gremiums bekannt gemacht werden haben sich als unentbehrliche Hilfen für die Praxis erwiesen. Die Vereinbarungen sind ihrem Rechtscharakter nach Verwaltungsvereinbarungen, stehen also im Rang unterhalb von Gesetzen.
2.1.2 Der Auftrag im Einzelnen
Rz. 6
Der den Spitzenverbänden erteilte Auftrag geht dahin, Näheres
- zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Aufbewahrung der Unterlagen i. S. des § 110a
- zu den Voraussetzungen der Rückgabe und Vernichtung von Unterlagen sowie
- zu den Aufbewahrungsfristen von Unterlagen
zu vereinbaren.
Damit sind im Grunde alle in den §§ 110a und 110b enthaltenen Regelungen angesprochen, denn Bestandte...