0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Wirkung zum 1.1.2012 eingefügt worden durch Art. 4 Nr. 10 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 3057) und ersetzt § 172 Abs. 2.
1 Allgemeines
Rz. 2
Vorgängervorschrift bis zum 31.12.2011 war § 172 Abs. 2 SGB VI.
Die Regelung des § 172a betrifft Beschäftigte, die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von der Versicherungspflicht befreit sind. Nach näherer Maßgabe des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 werden befreit u. a. Beschäftigte für die Beschäftigung, wenn sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Durch die Befreiung soll erreicht werden, dass die angestellten Mitglieder dieser Berufsgruppe nicht mit einer doppelten Beitragspflicht belastet werden (vgl. im Einzelnen die Komm. zu § 6 Rz. 3). Betroffen sind vor allem Ärzte, Architekten und Rechtsanwälte (vgl. dazu Giesen, NZA 2014, 299; Ockenga, SozSich 2015, 31; zur Problematik der Syndikusanwälte vgl. BSG, Urteil v. 3.4.2014, B 5 RE 13/14 R; BVerfG, Beschluss v. 22.7.2016, 1 BvR 2534/14; Kahlert, SozSich 2016, 4).
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Wie beim früheren § 172 Abs. 2 (bis 31.12.2011) geht es darum, dass Arbeitgeber von Beschäftigten, die der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, keinen Vorteil daraus haben sollen, dass diese Beschäftigten in einem berufsständischen Versorgungswerk und damit in einem nach der gesetzlichen Wertung gleichwertigen Versorgungssystem pflichtversichert sind. Zweck der Bestimmung ist es – anknüpfend an die Regelungen über die gesetzliche Rentenversicherungspflicht –, den zunächst in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten die Versicherung in einem berufsständischen Versorgungswerk zu ermöglichen, ohne dass ihnen dadurch die sonst, also nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, gegebenen Ansprüche auf Tragung eines Teils des Beitrags entgehen (vgl. BAG, Urteil v. 17.6.2008, 3 AZR 753/06). Die Arbeitgeber sollen nicht bevorzugt werden, wenn sie von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung Befreite einstellen (vgl. bei Neidert, in: GK-SGB VI, § 172 a Rz. 4 ff., 9 ff.).
Rz. 4
Dazu hatte § 172 Abs. 2 bis 31.12.2011 bestimmt, dass die Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, höchstens aber die Hälfte des Beitrags, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten nicht von der Versicherungspflicht befreit worden wären, zu tragen hatte. Diese Vorschrift ist zum 1.1.2012 durch den weitgehend wortgleichen § 172a ersetzt worden (vgl. Rz. 1). Anders als § 172 Abs. 2 spricht § 172 a nicht mehr von einer "Beitragstragung" durch die Arbeitgeber, sondern bestimmt, dass die Arbeitgeber einen Zuschuss zahlen. Mit der Regelung soll nach der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 3.8.2011 klargestellt werden, dass in einer berufsständischen Versorgung nur das Mitglied Beitragsschuldner zur berufsständischen Versorgungseinrichtung ist und dass der Arbeitgeber dem Mitglied den Arbeitgeberbeitrag als Zuschuss schuldet (vgl. BT-Drs. 17/6764). Die Gesetzesänderung ist systemgerecht (vgl. zur früheren Regelung des § 172 Abs. 2 dagegen OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 15.1.2008, 6 A 10975/07), geht allerdings über eine bloße Klarstellung hinaus.
Rz. 5
Der Arbeitnehmer schuldet den Beitrag zur berufsständischen Versorgungseinrichtung und kann nach § 172a vom Arbeitgeber aus öffentlichem Recht einen hälftigen Zuschuss beanspruchen, der durch die Hälfte des Beitrags begrenzt ist, der zu zahlen wäre, wenn der Beschäftigte nicht von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden wäre. Es gelten daher insoweit die Beitragsbemessungsgrenze (§ 159) und der Beitragssatz für die Versicherten in der allgemeinen Rentenversicherung (vgl. Wehrhahn, in: BeckOGK SGB VI, § 172a Rz. 2; zu einem von der Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung befreiten Arzt vgl. auch BAG, Urteil v. 23.1.2007, 3 AZR 398/05). Ein höherer Zuschuss des Arbeitgebers kann arbeitsvertraglich vereinbart werden (vgl. Wehrhahn, a. a. O., Rz. 3), der Vereinbarung eines niedrigeren Zuschusses steht § 32 SGB I entgegen (vgl. zum Beitragszuschuss nach § 257 SGB V: BSG, Urteil v. 8.10.1998, B 12 KR 19/97 R, und BFH, Urteil v. 19.5.2010, XI R 35/08; zu § 172 a. F. BAG, Urteil v. 21.11.2006, 3 AZR 387/05). Der Arbeitgeber zahlt mit der Zahlung an das Versorgungswerk auf eine eigene Schuld. Es besteht kein unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen Versorgungswerk und Arbeitgeber. Wenn der Arbeitgeber in der unrichtigen Annahme einer Befreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Zuschüsse gezahlt hat, stellt sich die Frage, von wem und unter welchen Voraussetzungen er diese nach § 812 BGB zurück verlangen kann (vgl. dazu V...