Dr. Arno Baumeister, Hans-Peter Mulzer
2.1 Ziel der Nachhaltigkeitsrücklage
Rz. 4
Die geänderte Funktion der Umwandlung der Schwankungsreserve in eine Nachhaltigkeitsrücklage kommt durch die Anhebung des oberen Zielwerts auf 1,5 Monatsausgaben zum Ausdruck (§ 158 Abs. 1 Satz 1). Die Erforderlichkeit von Rücklagen in der Rentenversicherung beruht vordergründig darauf, dass den konstanten Ausgaben im Jahresverlauf monatlich wechselnde Einnahmen gegenüberstehen. Nicht vorhersehbar sind des Weiteren konjunkturelle Schwankungen, die einen Ausgleich aus den Rücklagen vor einer Beitragserhöhung erforderlich machen.
Rz. 5
Das erste Ziel einer unterjährigen Liquiditätssicherung kann nach Auffassung des Gesetzgebers auch weiterhin mit dem unteren Zielwert einer Rücklage von 0,2 Monatsausgaben erreicht werden.
Rz. 6
Eine konjunkturelle Belebung und damit verbunden höhere Beitragseinnahmen würden bei einem höheren oberen Zielwert und den damit verbundenen Rücklagen die Beiträge zur Rentenversicherung weniger konjunkturanfällig machen. Der Beitragssatz soll erst dann einer Änderung zugeführt werden, wenn zu erwarten ist, dass infolge der Ausgaben der Rentenversicherung und der zu erwartenden Einnahmen der Korridor zwischen Mindestrücklage und Höchstnachhaltigkeitsrücklage nicht mehr eingehalten wird. Eine erhöhte Rücklage, die zur Abdämpfung vorübergehender Beitragsausfälle herangezogen werden kann, stabilisiert nicht nur den Beitragssatz, sondern das gesamte System der Rentenversicherung.
Rz. 7
Mit der Erhöhung des oberen Zielwerts kommt der Gesetzgeber auch Forderungen der Praxis und entsprechenden Kommissionsvorschlägen nach. Übereinstimmend wurde eine höhere Rücklage als dämpfendes Element für Beitragsschwankungen für erforderlich erachtet. Das Abstellen einer Beitragserhöhung auf eine bestimmte Mindestrücklage führt zu einer erheblichen Unsicherheit der unterjährigen Liquidität bei auftretenden konjunkturellen Schwankungen.
2.2 Anlagemöglichkeiten
Rz. 8
Die Nachhaltigkeitsrücklage ist ihrem Zweck entsprechend liquide anzulegen (§ 217 Abs. 1 Satz 1). Dabei ist zu beachten, dass zur Nachhaltigkeitsrücklage neben der Rücklage auch noch die Betriebsmittel zählen. Die Betriebsmittel als liquide Mittel umfassen beispielsweise laufende Konten oder Festgeldkonten.
Rz. 9
In den Rücklagen können aber – aus früheren gesetzlich vorgesehenen Anlagemöglichkeiten – noch illiquide Mittel wie z.B. Wertpapiere oder Haus- und Grundbesitz enthalten sein.
Rz. 10
Abs. 1 Satz 2 bestimmt ausdrücklich, dass das Verwaltungsvermögen (§ 222 Abs. 2) nicht zur Nachhaltigkeitsrücklage gehört. Damit wird der liquide Ausgleichscharakter der Nachhaltigkeitsrücklage nochmals ausdrücklich betont.
2.3 Verwaltung der Nachhaltigkeitsrücklage
Rz. 11
Nach dem Wortlaut des § 216 Abs. 2 gibt es nur eine gemeinsame Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung. Die Verwaltung dieser Rücklage war infolge der Neuordnung der Finanzverfassung der Rentenversicherung neu zwischen den beteiligten Trägern zu regeln. Im Umfang von einer halben Monatsausgabe der Rentenversicherung wird die Rücklage dauerhaft von der Deutschen Rentenversicherung Bund verwaltet. Dauerhaft bedeutet, dass unabhängig vom Gesamtumfang der Nachhaltigkeitsrücklage der Betrag bis zu einer halben Monatsausgabe immer der Verwaltung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund unterliegt.
Rz. 12
Wird dieser Grenzwert "über einen längeren Zeitraum" überschritten, so obliegt die Verwaltung des überschreitenden Betrags den Trägern der allgemeinen Rentenversicherung. Der Begriff "längerer Zeitraum" enthält eine gewisse Kontinuität, die im Rahmen eines Haushaltsjahres zu sehen ist.
Rz. 13
Die überschreitende Nachhaltigkeitsrücklage ist von den Bundes- und Regionalträgern in eigener Verantwortung zu verwalten. Wie dies zu geschehen hat, wird durch das sog. Erweiterte Direktorium bei der Deutschen Rentenversicherung Bund festgelegt. Es handelt sich hier um eine gemeinsame Angelegenheit der Träger der Rentenversicherung i.S.d. § 125 Abs. 2 Satz 2. Zur Mitverwaltung berechtigt ist auch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, soweit sie Aufgaben der allgemeinen Rentenversicherung wahrnimmt.
Rz. 14
Das Erweiterte Direktorium der Deutschen Rentenversicherung Bund war sich darin einig, dass die gemeinsame Verwaltung der Nachhaltigkeitsrücklage ausschließlich den 0,5 Monatsausgaben übersteigenden Teil der Nachhaltigkeitsrücklage betrifft. Nach den Festlegungen des Erweiterten Direktoriums erfolgt die Aufteilung analog zur buchhalterischen Zuordnung der Nachhaltigkeitsrücklage entsprechend dem Beitragsschlüssel, d.h. dem Anteil des einzelnen Trägers an den Beitragseinnahmen. Grundlage der gemeinsam zu verwaltenden Mittel sind die auf Basis der aktuellen Modellrechnungen des Schätzerkreises im Durchschnitt der Monate erwarteten liquiden Mittel. Nach den Modellrechnungen des Schätzerkreises wurde für Ende 2008 eine Nachhaltigkeitsrücklage von 0,88 Monatsausgaben erreicht, so dass ab 1.1.2008 der 0,5 Monatsausgaben übersteigende Teil der Nachhaltigkeitsrücklage anteilig nach dem Beitragschlüssel durch die einzelnen Träger verwaltet wird.