Rz. 38
Nach § 116 Abs. 6 unterbleibt der Anspruchsübergang auf den Leistungsträger oder nach einem etwaigen Übergang ist die Geltendmachung des Anspruch nicht statthaft, wenn die Schädigung durch Familienangehörige oder solche Personen verursacht wurde, die später zu Familienangehörigen geworden sind (sog. Familienprivileg). Dabei ist zwischen Satz 1 (Anspruch geht nicht über) und Satz 2 (Anspruch kann nicht geltend gemacht werden) zu unterscheiden. Zweck des § 116 Abs. 6 ist zum einen der Schutz des Familienfriedens und zum anderen der Schutz des Geschädigten oder dessen Hinterbliebenen vor einer zusätzlichen wirtschaftlichen Belastung. Angesichts der wirtschaftlichen Einheit, die in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebende Familienangehörige i. d. R. bilden, liefe der Geschädigte Gefahr, zusätzlich über die eigentliche Schädigung hinaus belastet zu werden, wenn der zum Familienverbund gehörige Schädiger in Anspruch genommen würde; zumindest müsste er das, was er mit der einen Hand erhalten hat, mit der anderen wieder herausgeben. Bei der vorsätzlichen Schadenszufügung ist der Ausschluss des Anspruchsübergangs jedoch nicht gegeben. Dies soll auch dem Ausschluss von Manipulation dienen. Der Begriff der Familienangehörigen ist weit auszulegen (BGH, Urteil v. 15.1.1980, VI ZR 181/78). Nach der Rechtsprechung gehören jedenfalls Eheleute, Kinder (auch nichteheliche gegenüber ihrem Vater), Verwandte und Verschwägerte sowie auch Pflegekinder – wenn das Pflegschaftsverhältnis auf Dauer angelegt ist – dazu. Nicht als zur Familie gehörig hat die Rechtsprechung hingegen Verlobte angesehen (BGH, Urteil v. 21.9.1976, VI ZR 210/75). Auch in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebende Personen sind keine Familienangehörige (BGH, Urteil v. 1.12.1987, VI ZR 50/87). Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 5.2.2013, VI ZR 274/12) ist § 116 Abs. 6 Satz 1 aber analog auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anwendbar. Soweit eine eingetragene Lebenspartnerschaft besteht, bestimmt § 11 Abs. 1 LPartG, dass der Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners gilt. Durch die Erweiterung von § 116 Abs. 6 Satz 2 hat der Gesetzgeber dies ausdrücklich (klarstellend) geregelt (vgl. BR-Drs. 259/15 S. 30).
Eine sowohl in § 116 Abs. 6 Satz 1 als auch in Satz 2 notwendige häusliche Gemeinschaft ist anzunehmen, wenn die Lebens- und Wirtschaftsführung auf Dauer in einem gemeinsamen Haushalt praktiziert wird. Weder hebt eine nur teilweise räumliche Trennung die häusliche Gemeinschaft auf noch wird sie allein durch gemeinsames Wohnen begründet.
Rz. 39
§ 116 Abs. 6 Satz 2 regelt die Fälle, in denen der Schädiger mit dem Geschädigten nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe schließt bzw. eine eingetragene Lebensgemeinschaft eingeht und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Der bereits übergegangene Ersatzanspruch kann dann nicht mehr geltend gemacht werden. Eine analoge Anwendung auf die nachträgliche Begründung von anderen Familienzugehörigkeiten scheidet wegen des engen Wortlauts aus. Der Forderungsübergang selbst wird aber nicht rückgängig gemacht, es wird nur die Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen. Sie ist aber wieder möglich, wenn die familiäre Bindung später aufgehoben oder die häusliche Gemeinschaft beendet wird. Es bedarf dann keines Schutzes des Familienfriedens mehr (Kater, in: KassKomm. SGB X, 101. EL September 2018, § 116 Rz. 254; Bieresborn, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 116 Rz. 38; Fenn, ZfS 1983 S. 107; Ritze, DRB 1983 S. 589). Der Haftpflichtversicherer kann sich auf das Familienprivileg nicht berufen, wenn die Heirat erst nach der Leistung an die Krankenversicherung erfolgt (OLG Rostock, Urteil v. 26.11.2007, 3 U 80/07; Dahm, NZV 2009 S. 551; Möller, NZV 2009 S. 218).