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Der Vorbehalt zwischenstaatlicher Vereinbarungen (vgl. § 23 Abs. 4 Satz 2 VwVfG) ist im Sozialrecht wegen § 30 Abs. 2 SGB I entbehrlich. Danach gehen Vorschriften des überstaatlichen (supranationalen) Rechts (insbesondere EU-Recht) sowie Vorschriften des zwischenstaatlichen (internationalen) Rechts (insbesondere Sozialversicherungsabkommen) vor. Demzufolge können die Behörden bzw. Angehörigen der Mitglieder- und Vertragsstaaten ermächtigt werden bzw. berechtigt sein, miteinander in der jeweiligen Amts- bzw. Landessprache zu verkehren.
Als vorrangige Regelung gilt insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004, in Kraft seit 1.5.2010, wobei hier insbesondere deren Art. 76 Abs. 7 und Art. 81 sowie Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit v. 16.9.2009 Bedeutung zukommt. Nach Art. 76 Abs. 7 VO (EG) 883/2004 dürfen die Behörden, Träger und Gerichte eines Mitgliedstaats die bei ihnen eingereichten Anträge oder sonstigen Schriftstücke nicht deshalb zurückzuweisen, weil sie in einer Amtssprache eines anderen Mitgliedstaates abgefasst sind, die als Amtssprache der Organe der Gemeinschaft anerkannt ist. Nach Art. 81 VO (EG) 883/2004 können Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die gemäß den Vorschriften eines Mitgliedstaats innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht dieses Mitgliedstaats einzureichen sind, innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde, einem entsprechenden Träger oder einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedstaats eingereicht werden (Satz 1). In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese Anträge, Erklärungen und oder Rechtsbehelfe entweder unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten unverzüglich der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht des ersten Mitgliedstaats (Satz 2). Der Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des zweiten Mitgliedstaats eingegangen sind, gilt als Tag des Antrags bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht (Satz 3). Art. 48 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 enthält Regelungen zur Mitteilung der Entscheidung an den Antragsteller.
Auch Sozialversicherungsabkommen verbieten es regelmäßig, Eingaben und Schriftstücke, die in der Sprache des anderen Staates vorgelegt werden, zurückzuweisen. Daher muss die Behörde, wenn ihr ein Schriftstück in der Sprache des anderen Staates zugeht, dieses selbst übersetzen lassen. Ähnlich wie bei den EU-Verordnungen werden auch in bilateralen Sozialversicherungsabkommen einheitliche Vordrucke für die praktische Umsetzung und die Umgehung von Sprachbarrieren genutzt. Hier sind allerdings i. d. R. die Vordrucke in 2 Sprachen, nämlich den Amtssprachen der beiden Länder, verfasst – in Einzelfällen auch in 3 Sprachen, wenn in einem Vertragsstaat 2 Amtssprachen parallel bestehen. So gibt es von diesen Vordrucken nur eine einheitliche Version. Die Systematik der Vordrucke und deren Bezeichnungen sind an die der EU-Verordnungen angelehnt.