Rz. 7
Entsprechend der formalrechtlichen Ausgangslage, dass ein Leistungen gewährender Bescheid selbst und unabhängig vom Gesetz den Rechtsgrund für die erhaltene Leistung bildet, bedarf es der Aufhebung dieses VA, bevor ein Rückforderungsanspruch entstehen und ein Rückforderungsbescheid erlassen werden kann. Dabei ist der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht auf Sozialleistungsansprüche i. S. v. § 11 SGB I beschränkt, wie sich aus der Einfügung des Abs. 2a ergibt. Zwingend ist aber, dass ein VA erlassen worden ist, so dass z. B. ein Scheinverwaltungsakt nicht ausreicht, um ein Vorgehen gemäß § 50 Abs. 1 zu ermöglichen. Unter einem Scheinverwaltungsakt oder auch Nichtakt ist dabei eine Handlung zu verstehen, die von jemandem herrührt, der unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu behördlichem Handeln befugt ist (BSG, Urteil v. 4.9.2013, B 10 EG 7/12 R). Hierzu gehören auch erzwungene Handlungen und Scherzerklärungen. Kein Scheinverwaltungsakt, sondern ein unter § 50 Abs. 1 fallender VA liegt vor, wenn ein Behördenmitarbeiter seine Befugnisse missbraucht und in der Absicht der eigenen Bereicherung Leistungsbescheide über Elterngeld trotz nicht existierender Kinder erlässt. Hatte die Vorinstanz hier noch einen Scheinverwaltungsakt angenommen, weil ein bewusst und gewollt strafbares Handeln der Behörde nicht zurechenbar sei, so ist das BSG dem nicht gefolgt und hat unter Hinweis auf die zivilrechtlichen Regelungen über die Überschreitung der Vertretungsmacht ein der Behörde zurechenbares Verhalten und damit einen Verwaltungsakt angenommen (BSG, Urteil v. 4.9.2013, B 10 EG 7/12 R mit zustimmender Anm. Schneider-Danwitz, SGb 2014 S. 271).
§ 50 Abs. 1 ist auch die richtige Rechtsgrundlage für die Durchsetzung der Erstattung solcher Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, die deshalb weitergezahlt wurden, weil gegen die rechtmäßige Rentenentziehung Rechtsbehelfe eingelegt wurden, die aufschiebende Wirkung hatten (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 30.10.2015, L 10 LW 3545/15).
Rz. 8
Eine Erstattungsforderung kann sich aus der Aufhebung eines VA nur ergeben, wenn und soweit nach § 45 Abs. 4, § 47 Abs. 2, § 48 Abs. 1 Satz 2 eine Aufhebung mit Rückwirkung erfolgt oder nach anderen Rechtsvorschriften (z. B. § 49) eine rückwirkende Aufhebung vorgesehen ist. Die Anwendung des § 50 ist dabei nicht auf die Rücknahme von VA nach dem SGB X beschränkt, sondern kann sich auch aus Vorschriften des besonderen Fachrechts ergeben (zur Rückwirkung der Aufhebung von Honorarkürzungen der kassenärztlichen Vereinigungen nach den Bundesmantelverträgen und der entsprechenden Anwendung des § 50 SGB X: BSG, Urteil v. 8.2.2006, B 6 KA 12/05 R).
Rz. 9
Ist der Leistung zugrundeliegende VA rückwirkend aufgehoben, hat die Behörde ohne weiteres Ermessen den Erstattungsanspruch geltend zu machen. Auch ein Verschulden der Behörde kann dem Erstattungsanspruch nicht entgegengehalten werden. Diese zwingende Erstattungspflicht beruht darauf, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte bereits bei der Aufhebungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung gegenüber dem Erstattungsanspruch scheidet aus. Allerdings kommt gegenüber der Rückforderung aus dem Erstattungsbescheid selbst die Stundung, Niederschlagung oder der Erlass nach § 76 Abs. 2 SGB IV in Betracht.
2.2.1 Erstattungspflichtiger
Rz. 10
Zur Erstattung verpflichtet ist derjenige, der die Leistung zu Unrecht erhalten hatte. Das ist im Regelfall auch derjenige, dem gegenüber der VA aufzuheben ist und zu dem das echte oder vermeintliche Sozialrechtsverhältnis bestand oder dem sonst eine Leistung nach sozialrechtlichen Vorschriften gewährt wurde. Da im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II die Kosten der Unterkunft auch bei direkter Zahlung an den Vermieter im Rechtssinne nur an den Hilfeempfänger geleistet werden, besteht bei der Rückabwicklung gemäß §§ 45f. keine Möglichkeit des Jobcenters, durch Verwaltungsakt gemäß § 50 Abs. 1 auch gegen den Vermieter vorzugehen (Bay. LSG, Urteil v. 21.1.2013, L 7 AS 381/12). Zwischen dem Jobcenter und dem Vermieter besteht kein Über-Unterordnungsverhältnis, wie es bei dem Erlass eines VA erforderlich ist (Theesfeld, in: jurisPR-MietR 8/2013 Anm. 6). Die spezialgesetzliche Regelung des § 50 Abs. 1 kann auch nicht durch Annahme eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs umgangen werden (Bay. LSG, Urteil v. 21.1.2013, L 7 AS 381/12). Kehrt der Rentenversicherungsträger trotz der Anmeldung eines Erstattungsanspruchs durch das Jobcenter die Nachzahlung einer Rente an den Leistungsempfänger aus, soll eine Aufhebung und Rückforderung von dem Leistungsempfänger nach §§ 48, 50 nicht mehr möglich sein (SG Potsdam, Urteil v. 22.10.2014, S 21 AS 1110/14).
Rz. 11
Dieses öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis behält diesen Charakter, wenn die Behörde die Erstattung gegenüber einem für den Empfänger Haftenden (Erben, Vermögensübernehmer nach § 419 BGB, Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I) geltend macht, so dass auch hier die Erstattung durch Besche...