Rz. 4
Die Aufzählung der in § 71 geregelten Mitteilungsbefugnisse und -verpflichtungen ist abschließend. Was in § 71 nicht genannt ist, bewirkt auch keine Auskunftspflicht bzw. Übermittlungsbefugnis der Stelle nach § 35 SGB I. Auch eine analoge Anwendung scheidet aus.
Adressaten der Vorschrift sind die in § 35 SGB I genannten Stellen.
Rz. 5
Die Empfänger der Daten ergeben sich in der Mehrzahl aus den in § 71 genannten Gesetzen. Empfangsberechtigt können auch Privatpersonen sein, z. B. die Erklärungspflicht als Drittschuldner betrifft regelmäßig private Personen oder Stellen.
Rz. 6
Der Umfang der Daten ist grundsätzlich nicht beschränkt. Er richtet sich nach den Zwecken und Aufgaben. Es gilt jedoch auch hier das Erforderlichkeitsprinzip, das seit 25.5.2018 als ein Grundsatz für die Verarbeitung personenbezogener Daten in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO unmittelbar geltend festgelegt ist.
Konkrete Vorgaben zum Umfang der zulässigen Übermittlung gibt es in Abs. 2 Satz 2 für die Ausländergesundheitsdaten (vgl. Rz. 45). In allen anderen Fällen hat der übermittelnde Sozialleistungsträger eigenverantwortlich zu prüfen, welche Daten tatsächlich erforderlich sind, um den Übermittlungszweck zu erfüllen. Er trägt die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung (§ 67d Abs. 1 Satz 1). In den Fällen, in denen der Übermittlung ein Auskunftsersuchen vorausging, hat die anfragende Stelle die von ihr benötigten Informationen möglichst genau zu benennen. Der übermittelnde Leistungsträger kann sich dann auf die Angaben in dem Ersuchen verlassen (§ 67d Abs. 1 Satz 2). Er braucht hier nur eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen, d. h. er hat zu prüfen, ob die erfragten Daten in einem logischen Zusammenhang mit dem angegebenen Übermittlungszweck (also der Aufgabenerfüllung der ersuchenden Stelle) stehen.
Rz. 7
Weit mehr Verantwortung haben die in § 35 SGB I genannten Stellen bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Mitteilungspflichten. Hier müssen sie von sich aus tätig werden und haben darüber hinaus nicht in jedem Fall eine konkrete gesetzliche Vorgabe, welche Sozialdaten von Bedeutung sein könnten. Es empfiehlt sich hier zunächst, zurückhaltend bei der Datenübermittlung zu sein. Sofern die empfangenden Stellen weitere Informationen benötigen, werden sie mit einer entsprechenden Nachfrage reagieren, und der Sozialleistungsträger hat dann konkrete Anhaltspunkte, welche Daten er noch übermitteln muss, um seinen Mitteilungspflichten zu genügen.
2.1 Erfüllung gesetzlicher Mitteilungspflichten (Abs. 1 Satz 1)
2.1.1 Abwendung geplanter Straftaten (Nr. 1)
Rz. 8
Die Straftaten, die eine Datenübermittlung nach § 71 zur Erfüllung einer besonderen gesetzlichen Pflicht zulässig machen, sind in § 138 Abs. 1 und 2 StGB abschließend aufgeführt. Eine Erweiterung des dortigen Katalogs auf ähnlich gefährliche Delikte ist unzulässig (vgl. Analogieverbot, Rz. 4).
Rz. 9
Es ist in der Praxis eher unwahrscheinlich, dass der Sozialleistungsträger im Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren davon Kenntnis erhält, dass eine der in § 138 StGB genannten Straftaten tatsächlich geplant oder in Ausführung ist und durch eine Anzeige abgewendet werden kann. Nur dann jedoch besteht eine Anzeigepflicht. In Zweifelsfällen rangiert jedoch die Anzeige vor dem Sozialgeheimnis. Der Mitarbeiter der Stelle nach § 35 SGB I ist persönlich verpflichtet. Leichtfertiges Unterlassen der Anzeige hat strafrechtliche Konsequenzen gemäß § 138 Abs. 3 StGB.
Rz. 10
Ist eine zuständige Behörde bereits über eine geplante Straftat i. S. d. § 138 StGB informiert und stellt sie in diesem Zusammenhang weitere Ermittlungen an, können diese Auskunftsersuchen nicht auf § 71, sondern nur auf die §§ 68, 72 oder 73 gestützt werden. Die in diesen Vorschriften genannten besonderen Anforderungen sind zu beachten.
2.1.2 Schutz der öffentlichen Gesundheit (Nr. 2)
Rz. 11
Nr. 2 verweist auf § 8 IfSG, der die zur Meldung verpflichteten Personen benennt. Gleichzeitig verknüpft er diese Personen mit den Fällen, in denen Meldungen zu erfolgen haben, indem er auf die §§ 6 und 7 IfSG verweist. § 6 IfSG umfasst die meldepflichtigen Krankheiten. Hier handelt es sich um Akuterkrankungen, die der sofortigen ärztlichen Behandlung bedürfen. In diesen Fällen dürfte die erforderliche Meldung regelmäßig von den erstbehandelnden Ärzten abzugeben sein. Die in § 35 SGB I genannten Stellen dürften von dieser Meldepflicht daher nur in seltenen Ausnahmefällen betroffen sein.
Rz. 12
Auch die Fälle von meldepflichtigen Nachweisen von Krankheitserregern nach § 7 IfSG dürften in der Praxis der Sozialleistungsträger kaum eine Rolle spielen. Die dort genannten Krankheitserreger, deren Nachweis zu melden wäre, werden regelmäßig von Laborärzten festgestellt, die dann zur Meldung verpflichtet sind. Bei den Stellen nach § 35 SGB I werden vornehmlich deren angestellte Ärzte, sonstige behandelnde Personen und Pflegekräfte von Abs. 1 Nr. 2 berührt. Dies insbesondere in eigenen Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen, aber auch beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen.
Rz. 13
Liegen die Voraussetzungen des § 8 IfSG vor, ist die in § 35 SGB I genannte Stelle zur Datenübermittlung verpfl...