0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 99 trat zum 1.7.1983 mit dem SGB X v. 4.11.1982 (BGBl. I S. 1450) in Kraft und ist seither nicht geändert worden (BT-Drs. 95 S. 38, 9/1753 S. 12, 43). Im Zusammenhang mit der Neufassung des SGB X v. 18.1.2001 (BGBl. I S. 130) wurde § 99 neu bekanntgemacht. Mit § 99 wird der Regelungsgehalt der vorher in § 25c Abs. 4 BVG und § 144 Abs. 3 und 4 AFG für den Bereich des sozialen Entschädigungsrechts und der Arbeitslosenhilfe geltenden Regelungen auf nahezu alle Bereiche des Sozialrechts erweitert. Im Bereich der Sozialhilfe (§ 117 SGB XII), der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 60 SGB II) und im Wohngeldrecht (§ 23 WoGG) existieren hingegen eigene Vorschriften.
1 Allgemeines
Rz. 2
Durch § 99 werden die Regelungen aus § 60 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB I in den Grenzen des § 65 Abs. 1 SGB I auch auf Angehörige des Leistungsempfängers oder sonstige Personen erstreckt. Die vorgenannten Vorschriften verpflichten ausschließlich den Leistungsempfänger bzw. den Antragsteller auf Sozialleistungen. § 99 trägt damit der Tatsache Rechnung, dass zahlreiche Leistungen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung sowie im sozialen Entschädigungsrecht zumindest ihrer Höhe nach davon abhängen, ob bzw. in welchem Umfang der Berechtigte Angehörigen oder sonstigen Personen Unterhalt schuldet oder entsprechende Leistungen von ihnen verlangen kann. Zum Zweck der Leistungsgewährung wird mit § 99 den entsprechenden Personen eine Auskunftspflicht zu ihren Einkommensverhältnissen auferlegt.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Die Auskunftspflichten nach § 99 bestehen immer dann, wenn gesetzliche Regelungen von Sozialleistungen die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen vorsehen. Dies kann sich zugunsten wie auch zu Lasten des Sozialleistungsberechtigten auswirken. Insbesondere kann es sich um folgende Vorschriften handeln: § 10 SGB V (Familienversicherung), § 65 SGB VII (Witwen- und Witwerrente), § 69 SGB VII (Rente an Verwandte der aufsteigenden Linie), § 25d Abs. 2 BVG (Kriegsopferfürsorge). In diesen Fällen sind die Familienangehörigen verpflichtet, Angaben zur Feststellung der Unterhaltsberechtigung und zu ihrem Einkommen zu machen, obwohl sie nicht sozialleistungsberechtigt sind. Darüber hinaus ist § 99 auf das Leistungsrecht der Bundesagentur für Arbeit anzuwenden. Nicht von dem Anwendungsbereich des § 99 werden hingegen die steuerfinanzierten Leistungen (Grundsicherung für Arbeitsuchende, Sozialhilfe, Wohngeld, Ausbildungsförderung, Unterhaltsvorschuss) erfasst (Grube, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand: 1.12.2017, § 99 Rz. 9).
2.1 Einkommen und Vermögen
Rz. 4
§ 99 liegt kein eigener Einkommensbegriff zugrunde. Was zum Einkommen zu zählen ist, ergibt sich aus den einschlägigen spezialgesetzlichen Vorschriften (§ 25d Abs. 2, § 34 Abs. 2 BVG, § 11 SGB II, § 67 SGB III, §§ 82 bis 84 SGB XII). Im Zweifel kann § 11 Abs. 1 SGB II (alle Einkünfte in Geld und Geldeswert) herangezogen werden.
Rz. 5
Der Begriff des Vermögens umfasst das gesamte verwertbare Vermögen. Zur näheren Bestimmung kann auf § 12 SGB II mit den dort aufgeführten Einschränkungen abgestellt werden.
2.2 Angehörige und sonstige Personen
Rz. 6
Wer Angehörige sind, ist dem einschlägigen materiellen Recht zu entnehmen. Im Zweifel kann die Aufzählung von Angehörigen in § 16 Abs. 5 herangezogen werden. Regelmäßig gehören zu den Angehörigen der/die Ehegatte/in und die leiblichen Kinder.
Der Begriff der "sonstigen Personen" ergibt sich aus dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht. Es kann sich daher um Haushaltsangehörige oder auch um nichteheliche Lebenspartner handeln.
2.3 Umfang und Grenzen der Auskunftspflicht
Rz. 7
Der Umfang der Auskunftspflicht ist durch § 65 SGB I begrenzt. Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit sind von Amts wegen zu beachten. Die Auskunft kann nur im Zusammenhang mit Einkommen und Vermögen des Angehörigen oder der sonstigen Personen verlangt werden. Daneben können Sachverhalte erfragt werden, die im Zusammenhang mit der Ermittlung einer Unterhaltspflicht oder Unterhaltsberechtigung stehen.
Rz. 8
Die zivilrechtlichen Grundsätze der Aussageverweigerung im Falle der Gefahr der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO) sind nach § 98 Satz 3 zu berücksichtigen. Schadensersatzansprüche wegen einer unrichtig erteilter Auskunft dürften im Falle eines Betrugstatbestandes (z. B. wenn die unrichtige Aussage zu einer erhöhten, nicht gerechtfertigten Auszahlung der Leistung geführt haben sollte) im Rahmen von § 826 BGB gegeben sein.
Einen Ordnungswidrigkeitentatbestand für den Fall einer unrichtigen oder unterlassenen Auskunft enthält § 99 im Gegensatz zu § 98 nicht.