Das JStG 2022 hat im Hinblick auf die vorgenannte Rechtslage deutliche Neuerungen mit sich gebracht. Künftig kommt der Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes eine dogmatisch vollkommen andere Funktion zu.
Anders als nach der bisherigen Gesetzesfassung erlaubt § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG n.F. den Abzug für Aufwendungen im Hinblick auf das Arbeitszimmer – ausnahmsweise – nur noch dann, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Daraus folgt im Unterschied zum bisher geltenden Recht zunächst eine Verschärfung insoweit, als dass die bloße Nichtverfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes für die (wenngleich betragsmäßig auf 1.250 EUR begrenzte) steuerliche Anerkennung eines "vollwertigen" Arbeitszimmers künftig nicht mehr ausreicht. Eine finanzielle Schlechterstellung des Steuerpflichtigen ist damit jedoch im Ergebnis nicht notwendigerweise verbunden.
Neu in das Gesetz aufgenommene "Tagespauschale" als Korrektiv: Als Korrektiv dient insoweit die in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c S. 1 EStG neu in das Gesetz aufgenommene "Tagespauschale". Hierbei handelt es sich um eine sinn- und maßvoll ausgestaltete Fortentwicklung der zuvor in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 4 EStG a.F. verankerten sog. Homeoffice-Pauschale. Die reformierte Pauschalierung
- gewährt dem Berechtigten den Abzug eines Tagessatzes i.H.v. 6 EUR (zuvor: 5 EUR) und
- ist auf einen jährlichen Maximalbetrag i.H.v. 1.260 EUR (zuvor: 600 EUR) begrenzt,
so dass die Pauschale umgerechnet mithin für bis zu 210 Tage p.a. (zuvor: 120 Tage p.a.) in Anspruch genommen werden kann. Das Gesetz hat sich somit erfreulicherweise der Lebenswirklichkeit zugewandt.
Die gesetzestechnische Bedeutung des ursprünglich in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG a.F. vorgesehenen Erfordernisses der Nichtverfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes wird erst mit einem Blick auf § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c S. 2 EStG verdeutlicht. Wörtlich heißt es dort nunmehr: "Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit dauerhaft kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, ist ein Abzug der Tagespauschale zulässig, auch wenn die Tätigkeit am selben Kalendertag auswärts oder an der ersten Tätigkeitsstätte ausgeübt wird."
Auf diese Weise lässt der Gesetzgeber das altbekannte Tatbestandsmerkmal der Nichtverfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes in neuem Glanz erscheinen, indem
- das dauerhafte Fehlen eines anderen Arbeitsplatzes
- nunmehr mit der Möglichkeit des kumulativen Ansatzes des Fahrtkostenaufwandes
belohnt wird. Dieses Ansinnen erscheint im Vergleich mit der bisherigen Gesetzesfassung als durchaus konsequent; denn auch der kumulative Ansatz von Fahrtkosten und Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer war und ist ohne weiteres zulässig.