Grundlegende Neugestaltung beim häuslichen Arbeitszimmer und bei der Homeoffice-Pauschale

[Ohne Titel]

Michael Müller, Mag. iur.[*]

Mit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes (JStG) 2022 vom 16.12.2022 (BGBl. I 2022, 2294 = EStB 2022, 442 [Günther]) hat die bisherige Regelungssystematik zur steuerlichen Berücksichtigung des häuslichen Arbeitszimmers und zur Inanspruchnahme der sog. Homeoffice-Pauschale eine grundlegende Neugestaltung erfahren. Unter besonderer Berücksichtigung der reformierten Pauschalierung gibt der vorliegende Beitrag einen Überblick über die gesetzlichen Innovationen und geht auf mögliche damit einhergehende Zweifelsfragen ein.

[*] Der Autor ist Rechtsreferendar im OLG-Bezirk Köln sowie Doktorand am Institut für Steuerrecht der Universität zu Köln.

I. Einleitung

Die vormals "kleine Lösung auf Zeit"[1] hat sich zu einer "großen Lösung auf Dauer"[2] fortentwickelt: Mit Inkrafttreten des JStG 2022[3] wurde die auf das JStG 2020[4] zurückgehende sog. "Homeoffice-Pauschale" – nunmehr als Tagespauschale legaldefiniert – zu einer ernstzunehmenden Abzugsmöglichkeit ausgebaut (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG). Damit einhergehend wurden auch die Abzugsmodalitäten im Hinblick auf das häusliche Arbeitszimmer neu durchdacht. Die beachtlichen Konsequenzen zeigen sich in einer tiefgreifenden Beeinflussung des bislang bekannten, historisch gewachsenen Abzugsregimes.

[1] So pointiert Drüen in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, EStG, § 4 Rz. 868e (Nov. 2022).
[2] Müller, DStR 2021, 1079 (1080).
[3] JStG 2022 v. 16.12.2022, BGBl. I 2022, 2294.
[4] JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096.

II. Die neue Regelungssystematik im Überblick

Bereits auf den ersten Blick zeigt sich die tatbestandliche Umstrukturierung besonders auffällig daran, dass der Gesetzgeber die Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer auf der einen Seite und zur Pauschalierung auf der anderen Seite nunmehr einer klaren äußerlichen Trennung unterwirft:

  • während in § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG n.F. – nach wie vor – das häusliche Arbeitszimmer beheimatet ist,
  • wurden die Vorschriften über die pauschalierten Abzugsmöglichkeiten im Unterschied zur bisherigen Gesetzesfassung nunmehr in den neugeschaffenen § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6c EStG ausgegliedert.[5]

In inhaltlicher Hinsicht hält die gesetzliche Neufassung teils Altbekanntes, teils Neugeschaffenes bereit. Im Ausgangspunkt unverändert sind

  • die Beibehaltung eines grundsätzlichen Abzugsverbots sowie
  • die für einen (vollständigen) Abzug weiterhin herausragende Bedeutung des Betätigungsmittelpunktes.

Beachten Sie: Demgegenüber präsentiert sich das Tatbestandsmerkmal der (Nicht-)Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes funktionell in einem neuen Gewand und bildet somit den Dreh- und Angelpunkt der regelungssystematischen Neuausrichtung.

[5] Die tatbestandliche Einkleidung ist – mit Blick auf den Einleitungssatz des § 4 Abs. 5 EStG – "als redaktionell ‚verunglückt‘ zu bezeichnen" (so pointiert Grotherr, NWB 2023, 172 (181)).

1. Die tatbestandliche Ausgestaltung vor Inkrafttreten des JStG 2022

a) Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer

Für die Berücksichtigungsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer kam der (Nicht-) Verfügbarkeit eines außerhäuslichen Arbeitsplatzes nach der bisherigen Gesetzesfassung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Nach der gesetzlichen Systematik unterliegen Aufwendungen betreffend das häusliche Arbeitszimmer – nach wie vor – einem grundsätzlichen Abzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG.

"... kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand": Von diesem Grundsatz war nach bisheriger Gesetzeslage nur dann ausnahmsweise abzuweichen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete oder wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 2 EStG a.F.).[6] Abgesehen von den sog. "Mittelpunktsfällen" brachte mithin erst die mangelnde Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes den Genuss einer steuerlichen Anerkennung mit sich. Dahinter stand die Erwägung, ein steuerlicher Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sei (nur) dann gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige in Ermangelung eines anderweitigen Arbeitsplatzes zum Zwecke der Erwerbstätigkeit auf das Arbeitszimmer angewiesen sei (Gedanke der Erforderlichkeit des Arbeitszimmers).[7]

In diesem Fall war dem Steuerpflichtigen der Abzug der entstandenen Aufwendungen

  • zwar dem Grunde nach gestattet,
  • vom Umfang her allerdings zunächst begrenzt auf einen Betrag i.H.v. bis zu 1.250 EUR.

Die vollständige Berücksichtigung der tatsächlich entstandenen Aufwendungen unterlag der weiteren Voraussetzung, dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete.

[6] Vgl. BMF v. 6.10.2017 – IV C 6 - S 2145/07/10002 :019 – DOK 2017/0224975, BStBl. I 2017, 1320 = DStR 2017, 2277 = EStB 2017, 434 (Günther).
[7] Vgl. BFH v. 3.4.2019 – VI R 46/17, BStBl. II 2022, 358 = EStB 2019, 369 (Günther); BFH v. 7.8.2003 – VI R 17/01, BStBl. II 2004, 78 = FR 2003, 1238 = EStB 2003, 414 (Meurer); BFH v. 13.11.2002...

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