Rz. 42
Hinterbliebenenrente nach dem letzten Ehegatten Versorgungs- oder Unterhaltsansprüche sowie auf sonstige Renten sind auf die wiederaufgelebte Rente voll anzurechnen (Abs. 5 Satz 2). Es gibt keine Freibetragsregelung (Abs. 5 Satz 2 letzter Satzteil). Dies entspricht der Regelung für die Rentenversicherung in § 90 Abs. 1 SGB VI. Anzurechnen sind nur solche Ansprüche, deren Erwerb in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Beendigung der letzten Ehe durch Auflösung oder Nichtigkeitserklärung besteht. Ansprüche aufgrund eigener Geldleistung der Witwe- bzw. des Witwers sind nicht anzurechnen (BSG, Urteil v. 24.4.1980, 1 RJ 34/79).
Rz. 43
Die Auszahlung einer vom letzten Ehegatten zugunsten der Witwe abgeschlossenen Lebensversicherung ist voll anzurechnen, desgleichen die Zahlung aus einer vom verstorbenen Ehegatten zu ihren Gunsten abgeschlossenen privaten Rentenversicherung, nicht aber die Zahlung aus einer von der Witwe selbst finanzierten privaten Rentenversicherung.
Rz. 44
Der anzurechnende Anspruch muss zu verwirklichen sein. Daran fehlt es, wenn die Durchsetzung des Anspruches aussichtslos oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchzusetzen ist.
Rz. 45
Hat die Witwe bzw. der Witwer mit dem letzten Ehegatten einen Unterhaltsverzicht vereinbart, so ist zu prüfen, ob sie/er aus verständigem Grund auf den Unterhaltsanspruch verzichtet hat. Dies ist auch nach dem seit dem 1.7.1977 geltenden verschuldensunabhängigen Ehescheidungs- und Unterhaltsrecht entscheidungserheblich (BSG, Urteil v. 1.2.1983, 4 RJ 101/81). Ansonsten ist der Unterhaltsanspruch, auf den sie/er verzichtete, fiktiv zu berücksichtigen mit der Folge, dass die Hinterbliebenenrente nach dem vorletzten Ehegatten entweder gemindert wird oder völlig entfällt. Dem geschiedenen Ehegatten ist es grundsätzlich zuzumuten, bestehende Unterhaltsansprüche zu realisieren, sofern dem nicht besondere Gründe entgegenstehen. Ausgangspunkt für die Prüfung des verständigen Grundes ist die wirtschaftliche Lage der Eheleute im Zeitpunkt der Regelung der Scheidungsfolgen (Folgesachen) einschließlich des Unterhalts. Auf dieser Grundlage hat die Witwe im Falle eines Unterhaltsverzichts darzulegen, weshalb ihr die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs nicht zuzumuten war. Weiterhin kann es beachtlich sein, ob der Witwe bei der Regelung der Folgesachen Vermögensvorteile zugeflossen sind, die unmittelbar oder mittelbar zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts bestimmt sind und deren Berücksichtigung mithin geboten ist. Aus der Abwägung dieser Umstände ist für die nach dem jetzigen Scheidungsrecht aufgelösten Ehen zu erschließen, ob ein verständiger Grund für die Unterhaltsvereinbarung vorliegt, der auch unter Berücksichtigung der Interessen der Solidargemeinschaft billigenswert ist (BSG, a. a. O.).
Rz. 46
Ein Unterhaltsverzicht ist in eng begrenzten Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen dann als unschädlich für den Hinterbliebenenrentenanspruch anzusehen, wenn er im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten nur deklaratorischen Charakter hatte und deshalb eine "leere Hülse" darstellt (BSG, Urteil v. 21.1.1993, 13 RJ 19/91; BSG, Urteil v. 13.10.1992, 5 RJ 42/91).
Rz. 47
Beim Zusammentreffen mehrerer nach verschiedenen Gesetzen wiederauflebender Witwenbezüge, z. B. Witwenrente aus der Rentenversicherung und beamtenrechtliches Witwengeld, darf ein infolge der Auflösung der 2. Ehe erworbener neuer Unterhaltsanspruch nur einmal angerechnet werden. Die Rechtsstellung der Witwe entspricht insoweit derjenigen des Schuldners einer Gesamtgläubigerschaft des bürgerlichen Rechts nach §§ 428, 430 BGB. Danach darf einer der Renten- bzw. Versorgungsträger nach den maßgeblichen Vorschriften anrechnen. Die Anrechnung darf aber nur dieses eine Mal erfolgen (BSG, Urteil v. 23.3.1966, 1 RA 191/63). Ebenfalls nach den Regeln der Gesamtgläubigerschaft haben die Versicherungs- und Versorgungsträger den Ausgleich untereinander vorzunehmen (BSG, Urteil v. 25.6.1975, 4 RJ 31/74). Danach kann ein Versicherungsträger von einem anderen Leistungsträger einen finanziellen Ausgleich dafür verlangen, dass er Rentenleistungen ohne die – an sich gegebene – Möglichkeit einer Anrechnung hat erbringen müssen, weil bereits der andere Leistungsträger eine Anrechnung vorgenommen habe. Als Maßstab für den Ausgleich ist das Größenverhältnis zu wählen, in dem die wiederauflebenden Rentenansprüche vor der Anrechnung zueinander gestanden haben.