OFD Stuttgart, Verfügung v. 7.1.2003, S 0339 A - 13 - St 44

 

1. Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen für Kapitalertragsteuer auf verdeckte Gewinnausschüttungen an ausländische Anteilseigner

Bei Nichtabgabe der Kapitalertragsteuer-Anmeldung kann das FA auf der Grundlage des § 191 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 44 Abs. 5 EStG gegen den zum Steuerabzug und zur Anmeldung der Kapitalertragsteuer verpflichteten Entrichtungspflichtigen (§ 43 Satz 2 AO) einen Haftungsbescheid erlassen. In der Vergangenheit haben die Finanzämter hiervon insbesondere zur Nachforderung der bei verdeckten Gewinnausschüttungen an ausländische Anteilseigner zu erhebenden Kapitalertragsteuer Gebrauch gemacht.

Die Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen für nicht angemeldete Kapitalertragsteuer im Wege eines Haftungsbescheids ist wegen der Akzessorietät der Haftung nicht (mehr) zulässig, wenn die Kapitalertragsteuer gegen den Steuerschuldner (den Gläubiger der Kapitalerträge) wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr festgesetzt werden kann (§ 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Festsetzungsverjährung tritt beim Steuerschuldner vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem die Steuer entstanden ist (§§ 169, 170 Abs. 1 AO). Nach der Verwaltungsauffassung, wie sie dem (zum BFH-Urteil vom 17.4.1996, BStBl 1996 II S. 608 ergangenen) Nicht-Anwendungserlass vom 24.4.1997, BStBl 1997 I S. 414 zugrunde liegt, führt die dem Entrichtungspflichtigen auferlegte Pflicht zur Abgabe der Kapitalertragsteuer-Anmeldung zu keiner Anlaufhemmung (§ 170 Abs. 2 AO) beim Steuerschuldner.

Anstelle eines Haftungsbescheides kann das FA bei Nichtabgabe der Kapitalertragsteuer-Anmeldung gegen den Entrichtungspflichtigen auf der Grundlage des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO auch einen Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 AO) erlassen (BFH-Urteil vom 13.9.2000, BStBl 2001 II S. 67). Ein solcher Nachforderungsbescheid unterliegt den für die Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid maßgeblichen Vorschriften. Er setzt lediglich zusätzlich voraus, dass die Voraussetzungen zur Haftung des Entrichtungspflichtigen nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG vorliegen (BFH-Urteil vom 13.9.2000, a.a.O.). Nach dieser Vorschrift haftet der Schuldner der Kapitalerträge für die Kapitalertragsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat, es sei denn, er weist nach, dass er die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat.

Die Nachforderung der Kapitalertragsteuer durch Nachforderungsbescheid ist nicht den sich bei Erlass eines Haftungsbescheids aus der Regelung des § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AO ergebenden Einschränkungen unterworfen. Auch ist bei Festsetzung der Kapitalertragsteuer durch Nachforderungsbescheid – anders als bei Erlass eines Haftungsbescheids – die Darlegung von Ermessenserwägungen zur Inanspruchnahme des Entrichtungsschuldners nicht erforderlich. Es ist daher regelmäßig angebracht, die Kapitalertragsteuer auf verdeckte Gewinnausschüttungen an ausländische Anteilseigner auf der Grundlage der §§ 155 Abs. 1 und 167 Abs. 1 Satz 1 AO durch Erlass eines Nachforderungsbescheids gegen den Entrichtungspflichtigen festzusetzen, wenn dieser der Pflicht zur Abgabe der Steueranmeldung nicht nachkommt.

Es wird gebeten, ab sofort entsprechend zu verfahren. Außerdem wird um Prüfung gebeten, ob in Einzelfällen, in denen der Erlass eines Haftungsbescheids gegen den Entrichtungspflichtigen aufgrund beim Steuerschuldner eingetretener Festsetzungsverjährung unterblieben ist, eine nachträgliche Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen durch Nachforderungsbescheid zulässig ist und dies ggf. nachzuholen.

 

2. Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen für Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 EStG

Die Ausführungen zu Ziff. 1 gelten hinsichtlich der Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen für Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 EStG entsprechend; § 73g Abs. 1 EStDV schließt den Erlass von Nachforderungsbescheiden gegen den Entrichtungspflichtigen nicht aus. Da die Haftung des Entrichtungspflichtigen (des Schuldners der Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 4 EStG) hier – im Gegensatz zur Haftung des Entrichtungspflichtigen (des Schuldners der dem Steuerabzug zu unterwerfenden Kapitalerträge) für die Kapitalertragsteuer – nach dem Gesetz nicht eingeschränkt ist (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG sieht im Gegensatz zu § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG für den Entrichtungspflichtigen keine Exkulpationsmöglichkeit vor), ist hinsichtlich der Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 4 EStG die Festsetzung der Steuer durch Nachforderungsbescheid an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft.

 

Normenkette

EStG § 44 Abs. 5

EStG § 50a Abs. 4

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