Prof. Dr. Stefan Müller, Dr. Jens Reinke
Rz. 73
Alle Kapitalgesellschaften, also sowohl mittelgroße wie große als auch kleine Kapitalgesellschaften, haben die für alle Kaufleute geltenden Ansatzvorschriften der §§ 246 ff. HGB anzuwenden.
Rz. 74
Oberster Grundsatz für den Ansatz von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten ist das Vollständigkeitsgebot nach § 246 Abs. 1 HGB. Danach hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden (einschließlich der Rückstellungen) und Rechnungsabgrenzungsposten zu enthalten. Vermögensgegenstände sind grundsätzlich in die Bilanz des Eigentümers aufzunehmen. Ist jedoch ein Vermögensgegenstand nicht dem Eigentümer wirtschaftlich zuzurechnen, hat dieser ihn auch nicht in seiner Bilanz auszuweisen. Schulden sind in die Bilanz des Schuldners aufzunehmen. Ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand.
Rz. 75
Der Ansatz der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten in der Bilanz wird weiterhin von dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit beherrscht. Daraus folgt das Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 HGB. Danach dürfen Posten der Aktivseite grundsätzlich nicht mit Posten der Passivseite, Grundstücksrechte nicht mit Grundstückslasten verrechnet werden. Gem. § 246 Abs. 2 HGB muss aber eine Saldierung von ausschließlich der Erfüllung von Altersversorgungsverpflichtungen und vergleichbaren langfristig fälligen Verpflichtungen dienenden Vermögensgegenständen, die dem Zugriff aller übriger Gläubiger entzogen sind, mit den Pensionsverpflichtungen erfolgen, womit primär das Planvermögen von Pensionsfonds o. Ä. gemeint ist. Auch aktive und passive latente Steuern können saldiert dargestellt werden. Weiterhin folgt aus dem Grundsatz der Klarheit der Bilanz die Regelung des § 247 Abs. 1 HGB, dass die Bilanz in ausreichender Weise aufzugliedern ist. Zur Gliederung der Bilanz von Kapitalgesellschaften enthält § 266 HGB besondere Regelungen.
Aus dem kaufmännischen Vorsichtsprinzip folgen die Bilanzierungsverbote des § 248 Abs. 1 HGB: Aufwendungen für die Gründung des Unternehmens, für die Beschaffung des Eigenkapitals und für den Abschluss von Versicherungsverträgen dürfen in der Bilanz nicht aktiviert werden. Ein Bilanzierungswahlrecht besteht gemäß § 248 Abs. 2 HGB für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Nicht aufgenommen werden dürfen selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens.