Dipl.-Finanzwirt (FH) Andreas Willner
Das hat den damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf den Plan gerufen. Urplötzlich liegen rechnerisch kaum nachvollziehbare Zahlenwerke auf dem Tisch, mit der Absicht, Verantwortliche und Zweifler in letzter Sekunde noch vom Gegenteil zu überzeugen. 140.000 Kilometer zusätzliche Kassenbons im Jahr allein bei Rewe sind bestens geeignete Argumente, auch den Volkszorn kräftig zu schüren. Reine Panikmache, wenn man bedenkt, dass die Kassen der Lebensmittelketten den Bon schon bisher ausgedruckt haben. Jeder kennt doch die überquellenden Papierkörbe unter den Kassentischen, gefüllt mit all den nicht vom Kunden mitgenommenen Quittungen. Herr Altmaier hat vermutlich noch nie selbst bei Rewe eingekauft. In seinem Brief forderte der CDU-Politiker keine 3 Wochen vor dem Stichtag seinen Amtskollegen Olaf Scholz (SPD) auf, den Paragrafen über die Bonpflicht wieder aus dem Gesetz zu streichen. Ein Gesetz, das einst vom Parlament so abgesegnet wurde. Auch in ZDF und Presse unterstrich Altmaier seine Forderung mit Nachdruck und warnte vor der Umsetzung dieser Maßnahme. Schließlich seien manipulationssichere Kassen, die ab 2020 zwingend eingesetzt werden müssen, Garant genug für eine korrekte Einnahmenerfassung. Ein zusätzlicher Papierbon mache seiner Meinung nach keinen Sinn.
Eine solche Auffassung ist nicht abwegig, zumindest dann nicht, wenn der Kunde frei entscheiden darf, ob er den Beleg überhaupt mitnimmt oder nicht. In Ländern wie beispielsweise Italien macht sich ein Käufer sogar strafbar, wenn er den Beleg (in Italien nennt man diesen "scontrino fiscale") nicht annimmt und über eine bestimmte Zeit bzw. eine bestimmte Entfernung vom Geschäft, mit sich führt. Das zwingt den Verkäufer dazu, den Umsatz auch in korrekter Höhe einzutippen. Davon nämlich geht der Bundeswirtschaftsminister in seiner Argumentation gutgläubig aus. Das ist aber nicht immer so. Schaut sich keiner den Beleg an, könnte dieser auch einen geringeren Betrag aufweisen.
Die Sache hatte sich zu einem heftigen vorweihnachtlichen Regierungsstreit ausgewachsen. Die Belegausgabepflicht trat ab 1.1.2020 dann wie vorgesehen in Kraft.
Eine für den Unternehmer unzumutbare Härte sei durch die Belegausgabepflicht nicht gegeben, da der Gesetzgeber neben dem Papierbon auch die Möglichkeit eines digitalen Kassenbons vorgesehen habe, so die Auffassung des Finanzministeriums. Die Ausstellung eines digitalen Beleges im Rahmen von Kartenzahlungen könnte den Papierbeleg in Zukunft größtenteils ersetzen. Damit minimiert sich der zumutbare Aufwand. Die Tendenz, immer mehr weg von der Bar- zur Kartenzahlung ist unübersehbar.
Hessens damaliger Finanzminister Dr. Thomas Schäfer hat sich unmissverständlich für eine Umsetzung des Kassengesetzes in geplanter Form und ohne Einschränkungen, ausgesprochen. Eine betragsorientierte Ausnahmeregelung von der Belegausgabepflicht als mögliche Alternative, würde im Ergebnis das gesetzliche Sicherheitskonzept aushöhlen. Dieses Konzept ist in sich abgestimmt und baut eng aufeinander auf. Nur so ist es möglich, den dreisten Maschen der Betrüger entgegenzuwirken.
Wird ein Rädchen aus einem Getriebe entfernt, läuft dieses bekanntlich unrund. Schäfer hielt es für bewusst kalkuliert, wenn Vertreter der Wirtschaft versuchten, die öffentliche Meinung mit gerade populären Umweltargumenten auf ihre Seite zu ziehen. Er glaube, dass es dabei weniger um den Umweltschutz, als eher um die Kosten einer Umrüstung gehe. Über unnötige dicke Werbeprospekte in den Briefkästen werde beispielsweise auch hinweggesehen. Ein bisschen weniger Hysterie und ein wenig mehr der nüchterne Blick auf die Fakten täte der aktuellen Diskussion gut, meinte der Minister. Wir sollten ein enorm wichtiges Gesetz nicht schlechtreden bevor es in voller Bandbreite zur Anwendung gekommen sei. Es gehe letztlich um mehr Steuergerechtigkeit. Systematischem Betrug am ehrlichen Steuerzahler müsse weiter entschieden entgegengetreten werden. Die Belegausgabepflicht sei zentraler Bestandteil der Intention des Gesetzgebers.
Scharfe Kritik an Altmaiers Widerstand kam auch von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft. Für die Umsetzung der neuen Vorschriften durch die Finanzämter sei es wenig förderlich, wenn ihnen der Wirtschaftsminister in den Rücken falle.