Leitsatz
1. Ist eine Steueranmeldung entgegen der gesetzlichen Anordnung nicht eigenhändig unterschrieben, ist sie unwirksam, steht deshalb einer Steuerfestsetzung nicht gleich und führt mit ihrem Eingang bei der Finanzbehörde nicht zum Beginn der Einspruchsfrist.
2. Wenn die Finanzverwaltung eine strafbefreiende Erklärung trotz fehlender – aber innerhalb einer vom FA gesetzten Frist nachgeholter – Unterschrift allgemein als von Anfang an wirksam behandelt, so kann dies ohne Rechtsgrundlage jedenfalls nicht zulasten des Erklärenden die Einspruchsfrist auslösen.
Normenkette
§§ 167, 168, § 150 Abs. 3 Satz 1, § 355 Abs. 1 Satz 2 AO, § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG
Sachverhalt
Der Kläger reichte am 13.2.2004 eine – nicht unterschriebene – strafbefreiende Erklärung nach dem StraBEG beim FA ein, in der er Einnahmen aus dem Verkauf von Wertpapieren im Jahr 1998 erklärte; die sich daraus ergebende Abgabe zahlte er am selben Tag. Am 23.2.2004 reichte er ein von ihm unterschriebenes Exemplar der Erklärung ein. Am 22.3.2004 legte er Einspruch gegen die strafbefreiende Erklärung ein, den er mit der Verfassungswidrigkeit der Einkünfte aus Spekulationsgewinnen nach dem Urteil des BVerfG vom 9.3.2004, 2 BvL 17/02 (BStBl II 2005, 56) begründete.
Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig, weil der Kläger die Einspruchsfrist nicht eingehalten habe. Gegen diese erfolglos vor dem FG (EFG 2007, 545) angegriffene Auffassung richtet sich die Revision.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hat das FG den Einspruch gegen die strafbefreiende Erklärung zu Unrecht als nicht fristgerecht beurteilt und damit § 355 Abs. 1 Satz 2 AO verletzt. Die einmonatige Einspruchsfrist habe erst mit Eingang der unterschriebenen strafbefreienden Erklärung am 23.2.2004 begonnen und sei durch den Einspruch vom 22.3.2004 gewahrt worden.
Das Begehren des Klägers habe auch in der Sache Erfolg, weil die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Erklärung ersichtlich nicht vorgelegen hätten; denn die von ihm gemachten Angaben beruhten auf einer Steuernorm (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Fassung vom 16.4.1997, BGBl I, 821), die vom BVerfG mit Beschluss vom 9.3.2004, 2 BvL 17/02 für nichtig erklärt worden sei.
Hinweis
Nach § 355 Abs. 1 Satz 2 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde einzulegen. Auch die strafbefreiende Erklärung nach § 1 StraBEG ist eine Steueranmeldung i.S.d. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO, denn der Erklärende muss nach § 3 Abs. 1 StraBEG den gem. § 1 StraBEG zu entrichtenden Betrag selbst berechnen. Der Lauf der Frist setzt dabei allerdings voraus, dass die Steueranmeldung in unterschriebener Form vorliegt (mit der Folge für den Streitfall, dass die Frist erst mit Eingang der unterschriebenen Erklärung am 23.2.2004 lief und durch den Einspruch vom 22.3.2004 gewahrt wurde).
Die Notwendigkeit der Unterschrift folgt aus § 150 Abs. 3 Satz 1 AO; danach müssen Steuererklärungen eigenhändig unterschrieben werden, soweit dies nach einem Steuergesetz wie hier nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG vorgesehen ist. Ohne Unterschrift ist die Erklärung unwirksam, weil sie nur aufgrund der Unterschrift dem Erklärenden zugerechnet werden kann. Die Unbeachtlichkeit formell unwirksamer Steuererklärungen bei Ergehen wirksamer Steuerbescheide (BFH, Urteil vom 28.2.2002, V R 42/01, BFH-PR 2002, 311) kann nicht auf die Erklärung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG übertragen werden, weil die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung nur gleichsteht, aber kein Steuerbescheid ist; insbesondere war sie nicht von einer Zustimmung des FA gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 168 Satz 2 AO abhängig, die ein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 Satz 1 AO ist (BFH, Urteil vom 28.2.1996, XI R 42/94, BStBl II 1996, 660) und entfaltete mangels Unterschrift keine steuerrechtlichen Wirkungen, sodass sie keiner Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG gleichstand.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.5.2007, IX R 55/06