Leitsatz

1. Diätetische Lebensmittel in flüssiger Form, die verschiedene Nährstoffe enthalten, für Personen mit fehlender oder eingeschränkter Fähigkeit zur ausreichenden normalen Ernährung bestimmt sind und auch über eine Magen- oder Darmsonde verabreicht werden können (sog. Sondennahrung), sind in die Pos. 2202 KN einzureihen. Ihre Lieferung unterliegt dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer.

2. Soweit entsprechende Produkte ausschließlich dazu bestimmt sind, unter ärztlicher Aufsicht durch eine Magensonde an Personen verabreicht zu werden, die ärztlich behandelt werden, und sofern sie im Rahmen der Bekämpfung einer Krankheit oder eines Leidens mit dem Ziel verabreicht werden, eine Unterernährung dieser Personen zu vermeiden oder zu beseitigen, sind sie in die Pos. 3004 KN einzureihen. Ihre Lieferung unterliegt ebenfalls dem Regelsteuersatz.

 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1, Anlage 2 Nr. 33 UStG, KN Pos. 2106, Pos. 2202, Pos. 3004

 

Sachverhalt

Die Klägerin stellt zwei Produkte her, bei denen es sich um verschiedene Nährstoffe (Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate) enthaltende diätetische Lebensmittel in flüssiger Form für besondere Zwecke handelt (auch bezeichnet als Sondennahrung).

Mit ihren Steueranmeldungen unterwarf die Klägerin die Lieferung dieser Produkte dem Regelsteuersatz, legte aber hiergegen Einspruch mit der Begründung ein, es handele sich bei den Produkten um Lebensmittelzubereitungen der Pos. 2106 KN, für die der ermäßigte Steuersatz gelte. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG wies die Klage ab. Die Produkte seien als "andere nicht alkoholhaltige Getränke" der Pos. 2202 KN anzusehen, deren Lieferung nach dem Regelsteuersatz zu versteuern sei (Hessisches FG vom 25.11.2010, 7 K 3205/08, Haufe-Index 2648350).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

Die Liste der dem ermäßigten USt-Satz unterliegenden Gegenstände nimmt auf Positionen des Zolltarifs Bezug. Die zolltarifliche Einreihung einer Ware in die Kombinierte Nomenklatur (KN) kann somit maßgebend für den USt-Satz bei Lieferung dieser Ware sein.

Im Streitfall ging es um Zusammenstellungen verschiedener Nährstoffe in flüssiger Form zur diätetischen Behandlung von Personen mit eingeschränkter Fähigkeit zur normalen Nahrungsaufnahme. Diese flüssigen Zubereitungen sind auch zur Verabreichung mittels einer Magen- oder Darmsonde geeignet (sog. Sondennahrung). Streitig war, ob es sich bei diesen Erzeugnissen um Lebensmittelzubereitungen der Pos. 2106 KN handelt, was die Anwendung des ermäßigten USt-Satzes zur Folge hätte, oder um "andere nicht alkoholhaltige Getränke" der Pos. 2202 KN, deren Lieferung dem Regelsteuersatz unterliegt.

Die zolltarifliche Rechtsprechung des EuGH geht von einem sehr weiten Getränke-Begriff aus, der alle zum menschlichen Genuss geeigneten und bestimmten Flüssigkeiten erfasst, ohne dass es auf die Art und Weise der Einnahme, die eingenommene Menge oder die besonderen Zwecke ankommt, denen die verschiedenen Arten genießbarer Flüssigkeiten dienen können.

Der BFH wollte dieser Rechtsprechung folgen und auch die streitigen Waren zolltariflich als "Getränk" ansehen, hat jedoch zunächst auf die Antwort des EuGH auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Niederlande gewartet, welches ebenfalls die Einreihung sog. Sondennahrung betraf. Der EuGH hat in jener Sache mit Urteil vom 30. April 2014, C-267/13, Nutricia NV (ZfZ 2014, 191) entschieden, die Sondennahrung sei als "Arzneiware" der Pos. 3004 KN anzusehen, wenn sie ausschließlich dazu bestimmt sei, unter ärztlicher Aufsicht enteral (durch eine Magensonde) an Personen verabreicht zu werden, die ärztlich behandelt werden, sofern eine solche Verabreichung im Rahmen der Bekämpfung einer Krankheit oder eines Leidens, von dem Letztere betroffen sind, mit dem Ziel erfolgt, eine Unterernährung dieser Personen zu vermeiden oder zu beseitigen.

Die Entscheidung des EuGH ist falsch, da sie eine Kapitel-Anmerkung der KN nicht beachtet, der zufolge Nahrungsmittel oder Getränke (wie diätetische, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, tonische Getränke und Mineralwasser) und andere nicht intravenös zu verabreichende Nährstoffzubereitungen nicht zu Kapitel 30 KN gehören (vgl. dazu Krüger, Anmerkung zum EuGH-Urteil, ZfZ 2014, 193).

Der BFH ist vorliegend bei der Einreihung der Sondennahrung in die Pos. 2202 KN (Regelsteuersatz) geblieben, da die Beschaffenheitsmerkmale der Ware, die der EuGH in seinem Fall als entscheidend für die Einreihung in die Pos. 3004 KN (Arzneiware) angesehen hat, im Streitfall nicht vorlagen bzw. vom FG nicht festgestellt waren. Selbst wenn man die streitigen Erzeugnisse auch als Lebensmittelzubereitungen der Pos. 2106 KN ansehen wollte, also eine zolltarifliche Konkurrenz zwischen der Pos. 2106 KN und der Pos. 2202 KN bestünde, ginge jedenfalls die letztgenannte Position vor.

Von einer Zurückverweisung der Sache an das FG zur Ermittlung mögl...

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