Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das Finanzgericht Düsseldorf entschied, dass Eltern während eines mehrjährigen Schulbesuchs ihres Kindes in der Türkei keinen Kindergeldanspruch in Deutschland haben. Die klagenden Eltern konnten sich auch nicht auf anderslautende spontane Auskünfte einer Familienkassenmitarbeiterin berufen.
Sachverhalt
Die Mutter eines volljährigen Sohnes beantragte im Jahr 2013 die Fortzahlung von Kindergeld über den 18. Geburtstag ihres Kindes hinaus und gab dabei gegenüber der Familienkasse an, dass sich ihr Sohn bereits seit 2008 zum Schulbesuch in der Türkei aufhalte und nur in den Sommerferien nach Deutschland zurückkehre. Die Familienkasse forderte daraufhin das Kindergeld für zurückliegende Zeiträume zurück. Hiergegen brachten die Eltern unter anderem vor, dass eine Mitarbeiterin der Antragsannahmestelle der Familienkasse ihnen bereits in 2008 erklärt habe, dass ein Kindergeldbezug trotz des Schulbesuchs in der Türkei weiterhin problemlos möglich sei, solange das Kind in Deutschland gemeldet sei und ein Elternteil "auf Steuerkarte" arbeite. Aufgrund dieser Aussage durfte nach Ansicht der Eltern aus Gründen des Vertrauensschutzes keine Rückforderung des Kindergeldes erfolgen.
Entscheidung
Das Finanzgericht entschied jedoch, dass die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtmäßig war. Kindergeld kann regelmäßig nur für Kinder bezogen werden, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland oder einem EU-/EWR-Staat innehaben (§ 63 Abs. 1 S. 6 EStG n. F.). Die Türkei zählt nicht zu diesen Staaten.
Ob ein Kind bei einem längerfristigen Schulbesuch im Ausland noch einen Wohnsitz im Inland beibehält, muss sich danach entscheiden, wie oft und wie lange das Kind in das Inland zurückkehrt. Ein Inlandsaufenthalt während der Schulferien genügt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nicht.
Gemessen an diesen Grundsätzen hatte der Sohn im Streitfall weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, sodass den Eltern kein Kindergeld zustand.
Nach Ansicht des Gerichts konnten sich die Eltern auch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, da hierzu ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse vorausgegangen sein muss, das auf das Fortbestehen des Kindergeldanspruchs schließen ließ. Selbst wenn eine Mitarbeiterin der Familienkasse den Eltern gegenüber tatsächlich eine positive Aussage zum Fortbezug von Kindergeld bei einem Auslandsschulbesuch getätigt hat, steht nicht fest, ob diese Person überhaupt zur abschließenden Entscheidung über eine Kindergeldfestsetzung befugt war. Diesen Umstand zog das Finanzgericht in Zweifel, da die Eltern die Auskunft lediglich in der Antragsannahmestelle der Familienkasse erhalten haben wollen.
Hinweis
Das Urteil zeigt, dass spontane rechtliche Einschätzungen von Mitarbeitern der Familienkasse (insbesondere in der Antragsannahmestelle) in aller Regel keinen Vertrauenstatbestand schaffen, sodass sich Eltern bei einer späteren Rückforderung von Kindergeld nicht darauf berufen können.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2015, 10 K 2954/14 Kg, AO