Leitsatz
1. Hat ein unentgeltliches Nutzungsrecht, welches im Rahmen der Feststellung der Ertrags- und Mindestwerte nach den Absätzen 2 bis 6 des § 146 BewG unberücksichtigt bliebe, den vom Steuerpflichtigen nach § 146 Abs. 7 BewG nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert (wertmindernd) beeinflusst, kann der nachgewiesene Wert nicht zur Feststellung eines niedrigeren Grundstückswerts führen.
2. Bei einer Mehrheit von Erben, denen ein zum Nachlass gehörendes Grundstück zuzurechnen ist, ist der Grundstückswert gegenüber allen Miterben nach § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 gesondert und einheitlich festzustellen.
Normenkette
§ 138 Abs. 5 Satz 3 BewG , § 146 BewG , § 179 Abs. 2 Satz 2 AO , § 10 ErbStG , § 12 ErbStG , § 25 ErbStG
Sachverhalt
Die Kläger erbten als Geschwister von ihrem Vater ein Grundstück, an dessen aufstehendem Gebäude einem von ihnen ein unentgeltliches Nutzungsrecht eingeräumt worden war. Das dafür zuständige FA setzte im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung als Grundstückswert den Mindestwert nach § 146 Abs. 6 BewG an, da der im vereinfachten Ertragswertverfahren nach den Abs. 2 bis 5 der Vorschrift ermittelte Wert den Wert für das unbebaute Grundstück nicht erreichte.
Die Kläger begehrten demgegenüber die Feststellung eines niedrigeren Grundstückswerts nach Abs. 7 der Vorschrift, zu dessen Nachweis sie ein Gutachten vorlegten, das durch Berücksichtigung des unentgeltlichen Nutzungsrechts zu einem niedrigeren gemeinen Wert gelangt war. Außerdem verwiesen die Kläger darauf, dass das Grundstück mittlerweile dem nutzungsberechtigten Miterben – ausgehend von dem niedrigeren gemeinen Wert – überlassen worden sei. Das FA und das FG entsprachen dem Begehren nicht.
Entscheidung
Auch der BFH hielt einen niedrigeren Grundstückswert nicht für nachgewiesen. Ein Sachverständigengutachten oder ein nachgewiesener Kaufpreis kann nur dann zur Feststellung eines niedrigeren Werts nach § 146 Abs. 7 BewG führen, wenn sie Werte ergeben, die mit den Steuerwerten nach § 146 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 6 BewG vergleichbar sind. Dies ist nur insoweit der Fall, als die Bewertungsmaßstäbe übereinstimmen, insbesondere die gleichen preis- bzw. wertbildenden Faktoren berücksichtigt werden. Diese Vergleichbarkeit setzt das Gesetz erkennbar als selbstverständlich voraus. Unentgeltliche Nutzungsrechte bleiben jedoch sowohl bei der Ertragswertmethode als auch beim Ansatz des Mindestwerts unberücksichtigt.
Das FA war auch berechtigt, den Grundstückswert gegenüber allen Miterben einheitlich festzustellen. Denn nach § 138 Abs. 5 Satz 3 BewG sollen für die Feststellung von Grundbesitzwerten die Vorschriften der AO über die Feststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes sinngemäß gelten. Zu diesen Vorschriften gehört auch § 179 Abs. 2 Satz 2 AO.
Hinweis
Wertmindernde Umstände, die bei der Feststellung des Grundstückswerts nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG keine Berücksichtigung finden, können für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur unter den Vorsaussetzungen des § 10 ErbStG, der hinsichtlich der Bewertung über § 12 ErbStG auch auf die Vorschriften der §§ 13 ff. BewG verweist, und ggf. unter Beachtung des Abzugsverbots nach § 25 ErbStG berücksichtigt werden.
In der Wahl seiner Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts i.S.d. § 146 BewG ist der Steuerpflichtige grundsätzlich frei.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 8.10.2003, II R 27/02