Leitsatz

Der Anspruch auf Auszahlung des aus dem Arbeitsentgelt gebildeten Eigengeldguthabens eines Strafgefangenen ist nach Maßgabe der sich aus § 51 Abs. 4 und Abs. 5 StVollzG ergebenden Pfändungsbeschränkungen pfändbar. Die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO finden nach Sinn und Zweck dieser Pfändungsschutzvorschrift keine Anwendung.

 

Normenkette

§ 309 AO , § 319 AO , § 829 ZPO , § 850 ZPO , § 850c ZPO , § 43 StVollzG , § 47 StVollzG , § 51 Abs. 4 StVollzG , § 52 StVollzG

 

Sachverhalt

Ein Strafgefangener bezog wegen seiner in der Strafanstalt erbrachten Arbeitsleistung neben einem sog. "Hausgeld" (§ 47 StVollzG) Eigengeld (§ 52 StVollzG). Hiervon sparte er u.a. Überbrückungsgeld (§ 51 StVollzG) an. Mit Ausnahme dieses angesparten Betrags pfändete das FA seine Ansprüche auf Auszahlung des ihm als Eigengeld gutgeschriebenen und künftig gutzuschreibenden Geldbetrags. Seine Berufung auf die Unpfändbarkeit des Eigengelds, das Arbeitseinkommen liege unter der Pfändungsfreigrenze des § 850c ZPO, wurde vom FG verworfen und die Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FG abgewiesen.

 

Entscheidung

Der BFH hat die der Klagabweisung zugrunde liegende Verneinung eines vollstreckungsrechtlichen Pfändungsschutzes für Eigengeld gebilligt. Der BFH lässt offen, ob §§ 850 ff. ZPO schon deshalb auf das Arbeitsentgelt des Strafgefangenen nicht anzuwenden sind, weil es sich nicht um "Arbeitseinkommen" handelt.

Die Anwendung der Pfändungsfreigrenze auf das Eigengeld widerspreche jedenfalls deren Sinn und Zweck. Denn sie führe zu einer Besserstellung des Gefangenen gegenüber einem in Freiheit lebenden und Arbeitseinkommen beziehenden Vollstreckungsschuldner. Dieser muss nämlich mit Hilfe seines Arbeitseinkommens seinen gesamten Lebensunterhalt selbstständig organisieren und finanzieren; der Strafgefangene hingegen wird insoweit weitgehend durch Naturalleistungen der Vollzugsanstalt versorgt. Es sei auch keine Zusammenrechnung des Eigengelds mit dem Wert der von der Anstalt gewährten Naturalleistungen vorzunehmen, um daraus ggf. einen pfändbaren Teil des Eigengelds zu ermitteln.

 

Hinweis

Ein Strafgefangener erhält von der Strafvollzugsanstalt Arbeitsentgelt oder darf einer freien Beschäftigung nachgehen, für die er ein Entgelt bezieht. In beiden Fällen wird von der Anstalt aus diesen Bezügen ein Hausgeld für Zwecke des Einkaufs des Gefangenen und andere private Bedürfnisse (§ 47 StVollzG) festgesetzt und gebildet. Zur Sicherung seines notwendigen Lebensunterhalts für die ersten vier Wochen nach der Freilassung muss ferner das sog. Überbrückungsgeld angespart werden (§ 51 StVollzG). Nach Abzug ggf. fälliger weiterer Beträge verbleibt als Rest das sog. Eigengeld, welches dem Gefangenen zur freien Verwendung überlassen ist (§ 52 StVollzG).

Bei der Pfändung in diese Geldmittel, die der Strafgefangene von der Strafanstalt während der Haft erhält, sind einige Besonderheiten zu beachten:

Hausgeld und Überbrückungsgeld sind zweckgebunden; folglich ist der Anspruch auf sie nicht übertragbar und daher auch nicht pfändbar (§ 851 ZPO). Hingegen kann der Anspruch auf Auszahlung des Eigengelds als eine Geldforderung i.S.d. § 829 ZPO grundsätzlich gepfändet werden.

Pfändungsverbote enthalten jedoch § 51 Abs. 4 und 5 StVollzG. Danach ist der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgelds sowie des Teils des Eigengelds, der noch zur Auffüllung des der Höhe nach von der Strafanstalt festzusetzenden Überbrückungsgelds benötigt wird, unpfändbar. Ferner enthält das StVollzG spezielle Pfändungsschutzbestimmungen im Hinblick auf Unterhaltspflichten des Strafgefangenen (§ 51 Abs. 5 StVollzG).

Im Übrigen gelten für den Pfändungsschutz die allgemeinen Regeln der ZPO (§ 319 AO). Somit stellt sich die Frage, ob bei einer Pfändung in das Eigengeld die Pfändungsgrenze des § 850c ZPO für "Arbeitseinkommen" zu beachten ist. In der Rechtsprechung der Zivilgerichte und der Literatur ist diese Frage nicht unumstritten, wenn auch die Tendenz insbesondere des BAG dahin geht, das Eigengeld nicht dem Begriff des Arbeitseinkommens unterzuordnen (vgl. BAG, Beschluss vom 18.11.1986, 7 AZR 311/85, BAGE 53, 336ff.).

Der BFH hat die Frage gleichwohl offen gelassen. Er beruft sich statt einer solchen begrifflich scharfen Lösung lediglich auf Sinn und Zweck der Pfändungsfreigrenzen für das Arbeitseinkommen, die auf das Eigengeld eines Strafgefangenen nicht passten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.12.2003, VII R 24/02BFH, Urteil vom 16.11.2003, VII R 24/02

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?