Leitsatz
Wirkt bei einem notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück innerhalb der zweijährigen Spekulationsfrist auf der Käuferseite ein vollmachtloser Vertreter mit und genehmigt der Käufer das Rechtsgeschäft außerhalb der Spekulationsfrist, so ist das private Veräußerungsgeschäft nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerbar. Die Genehmigung wirkt steuerrechtlich nicht auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück.
Normenkette
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG , § 22 Nr. 2 EStG , § 184 Abs. 1 BGB
Sachverhalt
Die Eigentümerin einer Eigentumswohnung hatte diese am 2.7.1992 erworben und mit Notarvertrag vom 7.6.1994 veräußert. Für die nicht anwesenden Erwerber trat eine Notariatsangestellte als vollmachtlose Vertreterin auf. Die Erwerber genehmigten den Vertrag notariell beurkundet am 8.7.1994. (So wird üblicherweise verfahren, wenn eine Vertragspartei nicht zum Notartermin anreisen kann.) Die Übergabe fand erst später statt.
Das FA nahm im Hinblick auf die Vertragsdaten ein steuerpflichtiges Spekulationsgeschäft an.
Entscheidung
Der BFH führte aus, im Streitfall könne man bereits an der zivilrechtlichen Rückwirkung zweifeln. Denn die Beteiligten könnten, nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen, durchaus vertraglich vereinbaren, dass die Genehmigung nicht zurückwirken solle bzw. auch aus der Sache heraus könne sich die fehlende Rückwirkung ergeben.
Jedenfalls sei aber die gesetzliche Rückwirkung vom Normzweck her einzuschränken. Denn vor der Genehmigung seien die Vertragsansprüche noch nicht als aktuelle Ansprüche entstanden und könnten noch nicht geltend gemacht werden. Für die Besteuerung eines Spekulationsgewinns müsse der Vertragsschluss aber für beide Parteien bindend sein. Denn nur dann sei der Veräußerungstatbestand verwirklicht. Deshalb wirke die Genehmigung steuerlich nicht zurück.
Hinweis
Ein steuerpflichtiges "Spekulationsgeschäft" mit einem Grundstück liegt nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 a.F. vor, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Seit 1999 beträgt die Frist 10 Jahre.
Nach ständiger Rechtsprechung sind für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung die Zeitpunkte maßgebend, zu denen die obligatorischen Verträge, d.h. regelmäßig die Kaufverträge, geschlossen wurden (BFH, Urteil vom 15.12.1993, X R 49/91, BStBl II 1994, 687). Bisher war offen, ob auch bei einem genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäft auf den Vertragsabschluss oder auf den Zeitpunkt der zivilrechtlich rückwirkenden Genehmigung abzustellen ist. Nach § 184 Abs. 1 BGB wirkt die nachträgliche Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück.
Der BFH hat nunmehr entschieden, dass die zivilrechtliche Rückwirkung unbeachtlich ist. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Genehmigung. Wird die Genehmigung erst nach Ablauf der Spekulationsfrist erteilt, entsteht daher kein steuerpflichtiger Spekulationsgewinn.
Beachten Sie, dass etwas anderes aber dann gilt, wenn der Verkäufer dem Käufer schon vorher, d.h. innerhalb der Spekulationsfrist, wirtschaftliches Eigentum verschafft hat. Das kann z.B. der Fall sein, wenn bereits Besitz, Gefahr sowie Nutzungen und Lasten übergegangen sind.
Die zivilrechtliche Rückwirkung einer nachträglichen Genehmigung spielt in vielen Bereichen eine Rolle, z.B. bei Rechtsgeschäften unter Angehörigen und mit beherrschenden Gesellschaftern. Hier wird die Rückwirkung unter bestimmten Voraussetzungen akzeptiert. Mit dieser Rechtsprechung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch, da die Situation bei Spekulationsgeschäften anders gelagert ist. Die Entscheidung lässt sich deshalb auf diese anderen Bereiche nicht übertragen.
Der Senat lässt auch ausdrücklich offen, wie der Fall zu entscheiden ist, dass die Genehmigung eines Dritten, der am Vertrag nicht beteiligt ist (z.B. einer Behörde), aussteht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 2.10.2001, IX R 45/99