Leitsatz
Schließt ein Franchisenehmer sein bisheriges Einzelhandelsgeschäft und eröffnet er an einem anderen Ort ein neues Einzelhandelsgeschäft, so führt allein der Umstand, dass das neue Geschäft zur gleichen Unternehmensgruppe gehört und der neue Franchisevertrag weitgehend dem bisherigen entspricht, noch nicht zur Unternehmensidentität i.S.v. § 10a GewStG.
Normenkette
§ 10a GewStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie ist Franchisenehmerin der X Heimwerkermärkte GmbH & Co. Franchise Center KG (KG). Bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs 1992/93 betrieb die Klägerin ihren Markt in R und erwirtschaftete dort einen zum 31.12.1993 festgestellten Gewerbeverlust von 872.790 DM.
Sie schloss ihren Markt durch Ausverkauf des Warenbestands und Veräußerung nahezu des gesamten Aktivvermögens. Anschließend eröffnete sie in dem 600 km entfernten F einen neuen Bau- und Heimwerkermarkt. Hierzu schloss sie mit der KG einen neuen Franchisevertrag mit einer Laufzeit von 20 Jahren.
Das FA erkannte den Gewerbeverlust mangels Unternehmensidentität nicht als vortragsfähig in den Streitjahren 1994 bis 1996 an. Der BFH hob das im Wesentlichen der Klage stattgebende Urteil des FG auf und wies die Klage ab.
Entscheidung
Aufgrund der weiten Entfernung des in F neu eröffneten Markts zu dem aufgegebenen in R sei eine Weiternutzung der personellen Mittel mit Ausnahme des Marktleiters nicht in Betracht gekommen. Gleiches gelte für die sachlichen Mittel, insbesondere die Ausstattung des Markts. Der Standortwechsel habe typischerweise nicht im Rahmen einer bloßen Betriebsverlegung durchgeführt werden können. Auch der Kundenkreis habe nicht beibehalten werden können, wobei auf die konkreten Kunden in R und F abzustellen sei.
Der die sachliche GewSt-Pflicht bestimmende Gewerbebetrieb werde durch die ihn als konkreten Betrieb prägenden Merkmale bestimmt. Ebenso wenig sei das Warensortiment zwangsläufig deshalb identisch, weil es vom selben Lieferanten bezogen werde. Zwar entspreche der neue Franchisevertrag inhaltlich weitgehend dem früheren. Dies führe indes lediglich dazu, dass der neue Betrieb in F eine gleiche äußere Organisationsstruktur wie in R erhalten habe. Dies allein rechtfertige indes noch nicht die Annahme eines organisatorischen Zusammenhangs. Vielmehr sei ein solcher Zusammenhang durch die vertragliche Diskontinuität unterbrochen worden.
Hinweis
1. Die Kürzung des Gewerbeertrags nach § 10a GewStG setzt Unternehmer- und Unternehmensidentität voraus. Unternehmensidentität bedeutet, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit dem Gewerbebetrieb der im Jahr der Entstehung des Verlusts bestanden hat; denn die GewSt erfasst den Ertrag, den der jeweilige Gewerbebetrieb an sich abwirft.
2. Unterhält ein Unternehmer gleichzeitig mehrere sachlich selbstständige Gewerbebetriebe, so unterliegt jeder dieser Gewerbebetriebe für sich der GewSt. Unterhält er nacheinander mehrere sachlich selbstständige Gewerbebetriebe, gilt nichts anderes. Die bisherige sachliche Steuerpflicht endet und es beginnt jeweils eine neue.
3. Ob mehrere gewerbliche Betätigungen jeweils einen sachlich selbstständigen oder einen einheitlichen Gewerbebetrieb darstellen, ist nach gleichartigen Beurteilungsmaßstäben zu entscheiden. Für die Frage der Identität der Betätigungen kommt es stets auf das Gesamtbild an, welches sich aus den für einen Gewerbebetrieb wesentlichen Merkmalen ergibt.
4. Insbesondere kommt es auf die Art der Betätigung, den Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten sowie den Umfang und die Zusammensetzung des Aktivvermögens an. Zwischen den Betätigungen muss unter Berücksichtigung dieser Merkmale ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang bestehen.
5. Eine bloße Betriebsverlegung ist anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse der alte und der neue Betrieb bei wirtschaftlicher Betrachtung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung identisch sind.
6. Im Einzelnen gilt, dass die zur Fortführung des Unternehmens benötigten sachlichen und personellen Mittel weiter genutzt werden, soweit dies die aufgrund der Verlegung des Betriebs veränderten Verhältnisse zulassen. Zumindest ein Teil der Arbeitnehmerschaft muss entweder weiter beschäftigt werden oder es muss dies jedenfalls versucht werden. Die zur Erwirtschaftung des Ertrags eingesetzten Betriebsmittel müssen im Wesentlichen dieselben bleiben. Allerdings sind betriebsbedingte, auch strukturelle Anpassungen der gewerblichen Betätigung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse unschädlich.
7. Die erforderliche Betrachtung des Gesamtbilds verdeutlicht, dass nicht sämtliche Merkmale vollständig vorliegen müssen. Der Streitfall, der ein durch vertragliche gleichförmige Bindungen für sämtliche Franchisenehmer der Unternehmensgruppe charakterisiert wird, lässt zudem erkennen, dass es sich um im Einzelfall durchaus schwierige Abgrenzungen handelt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.1...