Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Wurde ein Grundstück ohne Ausweis von Umsatzsteuer veräußert, ist der Vorsteuerabzug aus später eingehenden Eingangsrechnungen ausgeschlossen. Der Veräußerer kann sich auch nicht auf eine noch bis zum Notartermin bestehende anderweitige Nutzungsabsicht berufen.
Sachverhalt
Im Hauptsacheverfahren wird über die Anerkennung von Vorsteuern im Zusammenhang mit einem Bauträgerprojekt gestritten. Die Antragstellerin machte am 25.09.2002 für 2001 einen Vorsteuererstattungsbetrag in Höhe von rd. 25.000 DM im Zusammenhang mit in Rechnung gestellten Abbruch-, Entsorgungs- und Neuvermessungskosten geltend. Diese nachträglichen Rechnungen standen offenbar im Zusammenhang mit einer Grundstücksveräußerung aus dem Jahr 2000, für die nicht zur Umsatzsteuer optiert wurde. Vor Gericht machte die Antragstellerin deutlich, sie habe zunächst beabsichtigt, die Grundstücke unter Ausübung der Option nach § 9 UStG umsatzsteuerpflichtig zu veräußern. Erst kurz vor dem Notartermin sei man von den Käufern informiert worden, dass die Objekte nicht für betriebliche Zwecke verwendet werden sollen und deshalb eine umsatzsteuerfreie Veräußerung gewünscht ist.
Entscheidung
Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Beurteilung hat das Finanzgericht keine Zweifel daran, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht abzugsfähig sind. Sofern überhaupt ein Zusammenhang zwischen den Leistungen und den Grundstücksübertragungen bestanden hat, ist der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG wegen steuerfreier Umsätze ausgeschlossen. Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie noch bis zum Termin über die notarielle Beurkundung der Verträge über die Grundstücksübertragungen davon ausgehen konnte, dass sie die bezogenen Eingangsleistungen ausschließlich für steuerpflichtige Veräußerungs- und Vermietungsumsätze verwenden könne. Zwar ist nach gefestigter EuGH- und BFH-Rechtsprechung über den Vorsteuerabzug sofort bei Leistungserhalt zu entscheiden und ggf. allein die Absicht des Unternehmers maßgebend, umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausführen zu wollen. Diese Rechtsprechung findet jedoch nur Anwendung, wenn es tatsächlich nicht zu einer Verwendung des Grundstücks kommt. Nur in diesen Fällen ist auf die geplante Nutzung abzustellen.
Im Streitfall erfolgt jedoch eine umsatzsteuerfreie Verwendung des Grundstücks noch vor dem Zeitpunkt, in dem die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gegeben waren. Die Rechnungen, aus denen ein Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, wurden erst nach der Übertragung des Grundstücks und damit nach ihrer umsatzsteuerfreien Verwendung ausgestellt. Auf die Absicht des Unternehmers bei Auftragserteilung kommt es (dann) nicht an.
Hinweis
Das Recht auf Vorsteuerabzug des Unternehmers entsteht dem Grunde und der Höhe nach bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs. Bei jedem Leistungsbezug muss er über die beabsichtigte Verwendung der bezogenen Leistungen sofort entscheiden. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug bleibt auch dann bestehen, wenn es später nicht zu den beabsichtigten Verwendungsumsätzen kommt (vgl. Abschn. 203 Abs. 1 UStR). Offenbar vor diesem Hintergrund hatten sich die Kläger auf die neuere EuGH- und BFH-Rechtsprechung zum Sofortabzug bzw. der beabsichtigten Verwendung berufen. Diese wurde im Streitfall vom Finanzgericht nicht angewandt, weil im Zeitpunkt der Rechnungsstellung der Umsatz bereits ausgeführt war und die abzugsschädliche Verwendung somit festgestanden hat. Auf die Absicht des Unternehmers bei Auftragserteilung kommt es laut Finanzgericht nicht an. Zu beachten ist, dass das Finanzgericht in seiner Beschlussbegründung die Auffassung vertritt, dass die Rechtsprechung zum Sofortabzug/bzw. zur Verwendungsabsicht nur dann Anwendung findet, wenn es tatsächlich nicht zu einer Verwendung des Grundstücks kommt. Nur in diesen Fällen sei auf die geplante Nutzung abzustellen. Diese Rechtsauffassung ist derzeit umstritten. Möglicherweise wurde der Hinweis aber auch nur deshalb angebracht, weil im Streitfall die Besonderheit vorlag, dass bei Ausstellung der strittigen Rechnungen die umsatzsteuerfreie Verwendung bereits festgestanden hat.
Link zur Entscheidung
FG München, Beschluss vom 25.06.2008, 14 V 1002/08