Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
1. Die AdV eines GrESt-Bescheids, dessen Bemessungsgrundlage sich aus einem Grundbesitzwert ergibt, kommt nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 11 i.V.m. § 8 Abs. 2 GrEStG und §§ 138ff. BewG in Betracht.
2. Im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zu beachten, dass regelmäßig keine weitergehende Entscheidung getroffen werden kann als vom BVerfG zu erwarten ist.
Normenkette
§ 138 BewG, § 1 Abs. 3, § 8 Abs. 2, § 11 GrEStG
Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine vormalige Gesellschaft luxemburgischen Rechts, vereinigte in ihrer Hand aufgrund eines Vertrags vom 02.12.2008 alle Anteile der T S.a.r.l. (T) mit Sitz in Luxemburg. Zum Vermögen der T gehörten zahlreiche inländische Grundstücke.
Das FA S erließ gegenüber der Antragstellerin gem. § 17 Abs. 3 GrEStG einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die GrESt im Hinblick auf die durch den Vertrag vom 02.12.2008 verwirklichte Vereinigung aller Anteile (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) der T in der Hand der Antragstellerin.
Der Antragsgegner, das FA, setzte daraufhin gegen die Antragstellerin GrESt i.H.v. 231 175 EUR fest. Der Bescheid erging gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 und 4 AO vorläufig hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S.d. § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die GrESt verfassungsgemäß ist. Die Bemessungsgrundlage von 6 605 000 EUR ergab sich aus einer Schätzung i.H.v. 50 % des Marktwerts der insgesamt zwölf im Bezirk des FA gelegenen Grundstücke der T. Für diese Grundstücke lagen die vom FA bei den Lage-FA angeforderten Feststellungsbescheide über die Grundbesitzwerte noch nicht vor. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin beantragte zunächst beim FA und danach beim FG, die Vollziehung des GrESt-Bescheids auszusetzen, und machte unter Hinweis auf die Beschlüsse des BFH vom 27.05.2009, II R 64/08 (BFH/NV 2009, 1540, BFH/PR 2009, 392) und vom 29.07.2009, II R 8/08 (BFH/NV 2010, 60) verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 8 Abs. 2 GrEStG angeordnete Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S.d. §§ 138ff. BewG als Bemessungsgrundlage der GrESt geltend. Ferner habe das FA das ihm durch § 155 Abs. 2 AO eröffnete Ermessen, einen Steuerbescheid (Folgebescheid) vor Erlass des Grundlagenbescheids zu erteilen, nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Das FG (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 02.12.2010, 3 V 134/10, Haufe-Index 2597629, EFG 2011, 735) hat die Vollziehung des GrESt-Bescheids bis zum Ergehen der für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erforderlichen Grundbesitzwertfeststellungsbescheide ausgesetzt und ab Fälligkeit der GrESt bis zum Ergehen der gerichtlichen Aussetzungsentscheidung aufgehoben. Es bestünden im Hinblick auf die gem. § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG anzuwendenden §§ 138ff. BewG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen GrESt-Bescheids. Dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin stehe kein überwiegendes öffentliches Interesse und insbesondere nicht das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung entgegen.
Entscheidung
Das sah jetzt der BFH anders, gab deshalb der Beschwerde des FA statt, hob den Beschluss des FG auf und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des GrESt-Bescheids ab.
Hinweis
1. Nach § 69 Abs. 7 i.V.m. Abs. 3 S. 1 und Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts auf Antrag u.a. dann ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Das ist nach der einschlägig bekannten und langläufigen Rechtsprechungsformel der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen. Solche gewichtigen und gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen GrESt-Bescheids sprechenden Umstände vermochte der BFH im Streitfall nicht zu erkennen.
2. Zunächst bestanden für den BFH keinerlei Zweifel daran, dass das FA den angefochtenen Folgebescheid vor dem Erlass der nach § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 3 und § 151 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 BewG erforderlichen gesonderten Feststellungsbescheide erlassen durfte. § 155 Abs. 2 AO lässt dies ausdrücklich zu und hatte das FA durch die im angefochtenen Bescheid angebrachte Kennzeichnung der zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage als "Schätzwert" sowie den Hinweis, dass der Gesamtbetrag der Grundbesitzwerte "0" EUR betrage, auch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Regelung im Vorgriff auf die noch ausstehenden Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte erfolgte. Was schließlich das Argument der Antragstellerin anging, das FA habe das ihm in § 155 Abs. 2 AO eingeräumte Ermessen zum Erlass eines Steuerbescheids vor Ergehen der Grundlagenbescheide nich...