Leitsatz
Das Gemeinschaftsrecht verlangt nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet ist, bestandskräftige Bescheide zurückzunehmen, bei denen der Rechtsweg nicht ausgeschöpft wurde.
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte in den Jahren 1989-1991 Umsätze mit Geldspielgeräten und hat diese der Umsatzsteuer unterworfen. Im Jahr 2005 beantragte sie die Änderung der USt-Bescheide dahingehend, dass die mit den Geldspielgeräten erzielten Umsätze aufgrund des EuGH-Urteils v. 17.2.2005 (C-453/02 und C-462/02) als umsatzsteuerfrei behandelt werden. Das beklagte Finanzamt hat den Änderungsantrag abgelehnt, da nur unter engen, bei der Klägerin nicht vorliegenden Voraussetzungen ein Anspruch auf Änderung eines europarechtswidrigen, aber bestandskräftigen Bescheids bestehe. Daraufhin wurde Klage erhoben.
Entscheidung
Die Klage ist unbegründet. Aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt sich kein Anspruch auf Änderung der Umsatzsteuerbescheide. Der EuGH selbst hat mehrfach, so zuletzt am 17.2.2008 , entschieden, das Gemeinschaftsrecht verlange nicht, dass eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich verpflichtet sei, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen. Vielmehr müsse der Grundsatz der Rechtssicherheit respektiert werden, der auch im Gemeinschaftsrecht anerkannt sei. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände könnten nationale Verwaltungsbehörden verpflichtet sein, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um einer später vom EuGH vorgenommenen Auslegung einer einschlägigen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen. Diese Meinung wird auch vom BFH vertreten , der betont, dass es in erster Linie Sache des Einzelnen sei, seine Chance zur Herbeiführung einer Korrektur eines ihn belastenden Verwaltungsakts durch Einlegung von Rechtsbehelfen zu wahren. Darüber hinaus scheitert ein gesonderter Aufhebungsanspruch im vorliegenden Fall auch daran, dass das deutsche Recht keine Vorschrift zur Korrektur bestandskräftig gewordener Steuerbescheide wegen späterer Änderungen der Rechtsprechung kennt. Aufgrund der gefestigten Rechtsprechung wird Revision nicht zugelassen.
Hinweis
Das Urteil zeigt einmal mehr die erhebliche praktische Bedeutung der Bestandskraft von Steuerbescheiden und verdeutlicht den hohen Rang der damit verbundenen Schaffung von Rechtssicherheit für den Gesetzgeber. Angesichts dessen ist dem Steuerpflichtigem bzw. seinem Berater dringend anzuraten, die beim EuGH anhängigen Verfahren aufmerksam zu verfolgen, um gegebenenfalls durch die Einlage von Rechtsbehelfen den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern und so die eventuellen steuerlichen Vorteile aus dem EuGH-Urteil zu sichern.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 11.12.2009, 3 K 82/09