Leitsatz

1. Seit dem 1.4.2005 ist ausschließlich der BFH für eine gerichtliche Entscheidung darüber zuständig, ob die Weigerung des FA, einem Beteiligten Akteneinsicht im finanzgerichtlichen Verfahren zu gewähren, rechtmäßig ist.

2. Hat das FG nach dem 31.3.2005 über einen Antrag eines Beteiligten auf Akteneinsicht entschieden, ist diese Entscheidung auf Beschwerde hin aufzuheben; der BFH trifft über die Frage der Akteneinsicht eine eigene Entscheidung.

3. Die Identität eines Anzeigeerstatters kann gegenüber dem Steuerpflichtigen dem Steuergeheimnis unterliegen; im Einzelfall ist eine Abwägung vorzunehmen. Dabei kommt dem Informantenschutz regelmäßig ein höheres Gewicht gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen zu, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen führen (Bestätigung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 30 Abs. 4 AO, § 71 Abs. 2, § 86 Abs. 1 und 3 FGO, § 3 Nr. 4 IFG

 

Sachverhalt

Der Kläger wollte wissen, wer dem FA steuerlich erhebliche Informationen gegeben hatte. Das FA verweigerte die Akteneinsicht. Das FG bestätigte das FA in einer Zwischenentscheidung.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FA; denn die Anzeige hatte sich als zutreffend erwiesen und zu Steuernachforderungen geführt.

Ob in dieser Situation gleichwohl dem Persönlichkeitsrecht des Klägers ein höheres Gewicht zukommen könnte, ist zumindest zweifelhaft.

Jedenfalls wäre es Sache des Klägers gewesen, das zu begründen.

Aus dem "Informationsfreiheitsgesetz" – auf das sich der Kläger berufen hatte – lässt sich insoweit schon deshalb kein Honig saugen, weil kein Anspruch auf Informationszugang nach § 3 Nr. 4 IFG besteht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht unterliegt; eine solche Rechtsvorschrift ist § 30 AO.

 

Hinweis

1. Im finanzgerichtlichen Verfahren muss das FA seine den Streitfall betreffenden Akten an das FG übermitteln (§ 71 Abs. 2 FGO);außerdem ist das FA – wie jede Behörde – nach § 86 Abs. 1 FGO zur Vorlage von Akten verpflichtet, soweit nicht durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) geschützte Verhältnisse Dritter unbefugt offenbart werden.

2. Die Verpflichtung zur Vorlage von Akten und zur Erteilung von Auskünften ist nach § 86 Abs. 1 FGO durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO eingeschränkt. Dem Steuergeheimnis unterliegt grundsätzlich auch die Identität eines Anzeigeerstatters.

3.§ 30 Abs. 4 AO nennt genau bezeichnete Sachverhalte, die es erlauben, dem Steuergeheimnis unterliegende Kenntnisse zu offenbaren. Daraus folgt allerdings noch keine Pflicht zur Offenbarung.

Es muss vielmehr unter Abwägung der gegenseitigen Interessen eine sachgerechte Ermessensentscheidung getroffen werden. Abzuwägen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen – wie auch das des Informanten – gegen den Zweck des Steuergeheimnisses – die möglichst vollständige Erschließung der Steuerquellen –; dieser Zweck kann es auch erfordern, die Auskunftsbereitschaft Dritter zu erhalten.

In der Abwägung des Einzelfalls bedeutet dies, dass dem Informantenschutz dann ein höheres Gewicht als dem Persönlichkeitsrecht des Steuerpflichtigen zukommt, wenn sich die vertraulich mitgeteilten Informationen im Wesentlichen als zutreffend erweisen und zu Steuernachforderungen führen.

4. Weigert sich in den Fällen § 86 Abs. 1 und 2 FGO das FA, Akten oder Aktenteile vorzulegen, kann seit dem 1.4.2005 nur noch der BFH die Entscheidung des FA überprüfen; auf Antrag eines Beteiligten stellt er durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Aktenvorlage oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist (§ 86 Abs. 3 FGO). Diese Verfahrensregelung gilt für alle entsprechenden Verfahrenshandlungen seit dem 1.4.2005.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 7.12.2006, V B 163/05

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