Leitsatz
1. Übernimmt der nach Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters verbleibende Gesellschafter einer zweigliedrigen Personengesellschaft unentgeltlich den Betrieb der Mitunternehmerschaft, so kann er den von der Mitunternehmerschaft abgezogenen Investitionsabzugsbetrag (IAB) fortführen.
2. Soweit der den Betrieb der Mitunternehmerschaft als Einzelunternehmer fortführende Gesellschafter im Investitionszeitraum keine Investition vornimmt, ist der IAB im Abzugsjahr bei der Mitunternehmerschaft rückgängig zu machen.
3. Eine nach Ablauf des Abzugsjahres getroffene Gewinnverteilungsabrede, die für den Fall der Nichtinvestition eine vom bisher geltenden Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zuordnung des Gewinns aus der Rückgängigmachung des IAB trifft, ist steuerrechtlich nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
§ 4 Abs. 3, § 6 Abs. 3, § 7g, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, § 36 Abs. 1 EStG, § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d, § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 158, § 159, § 736 Abs. 1 BGB
Sachverhalt
Die Klägerin betrieb mit der Beigeladenen in der Rechtsform einer GbR ein Kosmetikstudio. Nach dem Gesellschaftsvertrag betrug die Beteiligung am Gewinn und Verlust der GbR für die Klägerin 90 %, für die Beigeladene 10 %; der Gewinn wurde durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt.
In der 2011 für das Streitjahr 2010 abgegebenen Feststellungserklärung wurde ein IAB für die beabsichtigte Anschaffung von Wirtschaftsgütern für den Betrieb angesetzt, der i.H.v. 90 % der Klägerin und i.H.v. 10 % der Beigeladenen zugewiesen wurde. Die Beigeladene erklärte schriftlich, dass bei ausbleibenden Investitionen bis Ende 2013 die Nachversteuerung der Abzugsbeträge für das Jahr 2010 allein ihrem Mitunternehmeranteil zuzurechnen sei. Der Feststellungsbescheid 2010 erging erklärungsgemäß. Nach Kündigung der GbR durch die Klägerin zum 31.12.2012 übernahm die Beigeladene ohne Zahlung einer Abfindung an die Klägerin das Vermögen der GbR und führte den Betrieb als Einzelunternehmen fort. Da sie bis zum Ablauf des Investitionszeitraums keine Investition vornahm, änderte das FA den Feststellungsbescheid 2010 und verteilte den sich aus der Rückgängigmachung des IAB ergebenden Betrag zu 90 % auf die Klägerin und zu 10 % auf die Beigeladene. Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 8.5.2019, 15 K 1457/18 F, Haufe-Index 13145998, EFG 2019, 968).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin blieb ebenfalls erfolglos. Der BFH entschied, es könne dahinstehen, ob die 2011 abgegebene einseitige Erklärung der Beigeladenen überhaupt als zwischen den Gesellschaftern wirkende vertragliche Gewinnverteilungsabrede angesehen werden könne. Denn jedenfalls beziehe sie sich nicht auf künftige Gewinne, sondern auf solche, die dem Abzugsjahr (2010) zuzurechnen seien, und könne der Gewinnverteilung des Abzugsjahres daher nicht zugrunde gelegt werden. Das FA habe deshalb zutreffend die im Jahr 2010 geltende gesellschaftsvertragliche Gewinnverteilungsabrede von 90 % (Klägerin) zu 10 % (Beigeladene) angewendet.
Hinweis
1. Nach § 7g Abs. 3 EStG ist der nach § 7g Abs. 1 EStG vorgenommene Abzug eines IAB rückgängig zu machen, soweit der IAB nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres nach § 7g Abs. 2 EStG für die Anschaffung oder Herstellung eines begünstigten Wirtschaftsguts hinzugerechnet wurde. Wurde der Gewinn im Wirtschaftsjahr des Abzugs bereits einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung zugrunde gelegt, so ist der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid insoweit zu ändern (§ 7g Abs. 3 Satz 2 EStG).
§ 7g Abs. 3 Satz 2 EStG enthält eine spezielle Korrekturvorschrift i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO für die Rückgängigmachung eines IAB.
2. Wird bei der Gewinnermittlung durch eine Mitunternehmerschaft ein IAB abgezogen und geht der Betrieb der Mitunternehmerschaft unentgeltlich auf einen Rechtsnachfolger über, so kann dieser innerhalb der gesetzlichen Frist Investitionen tätigen und die Abzugsbeträge hinzurechnen i.S.v. § 7g Abs. 2 EStG. Dies entspricht dem Förderzweck des § 7g EStG und dem Zweck der Buchwertverknüpfung bei unentgeltlicher Betriebsübertragung. Denn der Zweck des IAB, die Liquidität des Betriebs im Hinblick auf zukünftige Investitionen zu erhalten, wird bei der unentgeltlichen Übertragung gemäß § 6 Abs. 3 EStG, die typischerweise im Rahmen der Generationennachfolge erfolgt, regelmäßig erreicht. Der Rechtsvorgänger wird die durch die Gewährung des IAB gewonnene Liquidität in Gestalt geringerer Entnahmen zur Finanzierung der ESt im Betrieb belassen.
3. Soweit der Rechtsnachfolger im Investitionszeitraum keine Investition vornimmt, ist der IAB im Abzugsjahr bei der Mitunternehmerschaft rückgängig zu machen. Dabei ist eine nach Ablauf des Abzugsjahres getroffene Gewinnverteilungsabrede, die für den Fall der Nichtinvestition eine vom bisher geltenden Gewinnverteilungsschlüssel abweichende Zuordnung des Gewinns aus der Rückgän...