Leitsatz
Wird für Tiere des Anlagevermögens die Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG in Anspruch genommen, ist die Höhe der Gewinnminderung nicht durch einen zu erwartenden Schlachtwert begrenzt.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 2, Abs. 2, § 7 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Ein Schweinezüchter bewertete die Tiere des Anlagevermögens mit nach den Richtwerten der Finanzverwaltung geschätzten Herstellungskosten. Sobald die selbst erzeugten Sauen zur Nachzucht eingesetzt werden konnten und damit als Wirtschaftsgut hergestellt waren, nahm er die Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter in Anspruch und schrieb die Tiere auf einen Erinnerungswert von 1 EUR ab. Nach Ende des Einsatzes zur Zucht wurden die Sauen ohne besondere Maßnahmen zur Steigerung des Gewichts geschlachtet.
Das FA war nach einer Außenprüfung der Meinung, die Tiere dürften nur bis zur Höhe eines Schlachtwerts von 150 EUR abgeschrieben werden. Demgegenüber entschied das FG, ein Schlachtwert müsse nicht berücksichtigt werden, weil die Tiere unmittelbar nach Ende des Einsatzes zur Zucht geschlachtet worden seien.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 3.12.2009, 1 K 264/06, Haufe-Index 2278391, EFG 2010, 476).
Hinweis
1.Dass Tiere des Anlagevermögens nur bis zur Höhe eines Schlachtwerts abgeschrieben werden dürfen, hatte der BFH aus der Rechtsprechung zum Schrottwert von Schiffen abgeleitet. Das Argument für die Berücksichtigung des Schrottwerts war dessen erhebliche Höhe (BFH, Urteil vom 7.12.1967, GrS 1/67, BStBl II 1968, 268). In Bezug auf Tiere hatte der BFH zwar nicht mit der absoluten, aber der relativen Höhe des Schlachtwerts im Verhältnis zu den Herstellungskosten argumentiert und den Schlachtwert als wesentlichen Restwert bezeichnet, der durch AfA nicht unterschritten werden dürfe (BFH, Urteil vom 4.6.1992, IV R 101/90, BStBl II 1993, 276).
Im jetzigen Urteil war zwar nicht AfA im Sinne des § 7 Abs. 1 EStG, sondern die Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG streitig. Die Sofortabschreibung behandelt der BFH aber als Spezialfall der AfA nach § 7 EStG. Deshalb hatte das FA auch für Tiere im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 EStG die Berücksichtigung des Schlachtwerts verlangt. Der BFH präzisiert nun seine bisherige Rechtsprechung zur relativen Wesentlichkeit und vertritt jetzt die Auffassung, dass die Begrenzung der AfA zumindest auch einen absolut wesentlichen Restwert voraussetze. Daran fehle es jedenfalls dann, wenn die gesamten AK/HK wegen Unterschreitens der Grenze des § 6 Abs. 2 EStG absolut geringfügig seien.
2.Keine Rolle spielte im Besprechungsurteil die vom BFH vertretene These, dass ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, das vor vollständiger Abnutzung zu Umlaufvermögen umgewidmet werden soll (sog. zweifache Zweckbestimmung), nur bis zu dem Restwert abgeschrieben werden darf, den das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Umwidmung voraussichtlich haben wird. So hatte der BFH einen Fall beurteilt, in dem Zuchtsauen nach Ende ihres Einsatzes zur Zucht noch einmal gezielt gemästet worden waren, um ein höheres Schlachtgewicht zu erreichen. War dies von Anfang an beabsichtigt, durften Abschreibungen während des Einsatzes zur Zucht nur bis zur Höhe des im Zeitpunkt des Wechsels zum Umlaufvermögen erwarteten Restwerts vorgenommen werden.
Diese Begrenzung soll nach dem BFH-Urteil vom 15.2.2001, IV R 19/99 (BStBl II 2001, 549) zwar auch für Tiere gelten, die zu den geringwertigen Wirtschaftsgütern i.S.d. § 6 Abs. 2 EStG gehören. Im Fall des hiesigen Urteils war aber keine Aufmast der Zuchtsauen vorgesehen, sodass diese nicht ins Umlaufvermögen wechseln, sondern als Tiere des Anlagevermögens geschlachtet werden sollten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.07.2013, IV R 1/10BFH, Urteil vom 24.7.2013 – IV R 1/10