Leitsatz
1. Keine Erstattung einer Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen, die nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG deshalb entstanden ist, weil der Inhaber einer allgemeinen Verwendungserlaubnis vergällten Branntwein an andere Erlaubnisinhaber abgegeben hat.
2. Die allgemeine Verwendungserlaubnis nach § 44 BrStV umfasst nicht die Abgabe vergällten Branntweins an Dritte. Bei einer unerlaubten Abgabe liegt nicht lediglich ein Verstoß gegen Formvorschriften vor.
3. § 227 AO ermächtigt nicht zu einer Korrektur des Gesetzes.
Normenkette
§ 152, § 153 BranntwMonG, § 44, § 49 BrStV, § 227 AO, Art. 267 AEUV, Art. 27 EWGRL 92/83
Sachverhalt
Die Klägerin verwendete auf ihrem Betriebsgelände mit 1 % MEK vergällten Branntwein zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen einer allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV. Sie gab an die auf ihrem Betriebsgelände ansässigen Firmen A GmbH und B GmbH in den Jahren 2012 und 2013 vergällten Branntwein ab. Diese beiden Firmen (ehemalige Betriebsteile der Klägerin) verwendeten in ihren Laboren ebenfalls vergällten Branntwein zu Untersuchungs- und Reinigungszwecken im Rahmen ihrer allgemeinen Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV.
Das HZA setzte gegen die Klägerin nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG Branntweinsteuer fest, weil diese keine Erlaubnis gehabt habe, an die A GmbH und die B GmbH vergällten Branntwein abzugeben. Die Klägerin zahlte die Branntweinsteuer. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 8.9.2017, 4 K 838/15). Auf eine Nichtzulassungsbeschwerde verzichtete die Klägerin.
Parallel beantragte sie die Erstattung der Branntweinsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen, welche das HZA ablehnte. Die Klage war erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 8.9.2017, 4 K 1590/17 VBr, Haufe-Index 11427887).
Die Klägerin meint, es habe sich lediglich um einen Formfehler gehandelt. Bei der Abgabe des Branntweins durch eine nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV legitimierte Gesellschaft an eine andere nach § 44 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BrStV legitimierte Gesellschaft habe der Gesetzgeber die Steuerentstehung nicht gewollt.
Zudem liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeit vor. Danach sei die Versagung einer Steuerbefreiung in den Fällen unverhältnismäßig,
- in denen der tatsächliche Empfänger verbrauchsteuerpflichtiger Waren über eine materielle Bezugsberechtigung verfüge,
- die Waren vom Empfänger zu Zwecken verwendet worden seien, für die nach den unionsrechtlichen Vorschriften eine Steuerbefreiung zu gewähren ist, und
- keine Anhaltspunkte für betrügerisches oder missbräuchliches Verhalten erkennbar seien.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Immer wieder beschäftigen sich die Gerichte mit Fällen, in denen Umstrukturierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, ohne auch deren Auswirkungen auf Verbrauchsteuern, insbesondere Strom- und Energiesteuer, im Blick zu haben. In diesen Fällen muss beispielsweise beachtet werden, ob Erlaubnisse weitergelten, wer Anträge zu stellen hat und ob die Gesamtrechtsnachfolge eingreift oder nicht.
2. Möglicherweise fällt auch dieser die Branntweinsteuer betreffende Fall darunter. Die Klägerin hatte in der Vergangenheit an ihre Betriebsteile mit 1 % Methylethylketon (MEK) vergällten Branntwein geliefert. In den Streitjahren waren daraus eigenständige Gesellschaften (GmbH) geworden. Die Klägerin hatte nicht beachtet, dass eine solche Weiterleitung von der Verwendungserlaubnis nach § 44 Satz 1 Nr. 1a BrStV nicht erfasst war. Dass auch die beiden Gesellschaften jeweils über eine solche Erlaubnis verfügten, änderte nichts an der Entstehung der Branntweinsteuer nach § 153 Abs. 3 BranntwMonG.
3. Der BFH hatte die Frage zu entscheiden, ob der Klägerin durch eine Billigkeitsmaßnahme geholfen werden konnte.
Nach § 227 AO können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlassen und bereits entrichtete Beträge erstattet werden, wenn deren Entrichtung nach der Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage i.S.d. begehrten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte, wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte.
Allerdings kann § 227 AO nicht als Rechtsgrundlage für eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift dienen (BFH, Urteil vom 10.5.1972, II 57/64, Haufe-Index 413243, BStBl II 1972, 649). Denn mit Billigkeitsmaßnahmen darf die Geltung des Gesetzes nicht unterlaufen werden.
4. Auch der Hinweis auf den unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verhalf der Klägerin nicht zum Erfolg. Sie sah einen entschuldbaren Verstoß gegen Verfahrensvorschriften (was de...