Leitsatz
1. Über Art. 2 ZKDVO hinaus besteht keine Verpflichtung des HZA, die für die Inanspruchnahme der Vergünstigungen für Rückwaren erforderlichen Daten von Amts wegen zu erheben.
2. Der Beibringungsgrundsatz des Art. 6 Abs. 1 ZK verdrängt den Amtsermittlungsgrundsatz und damit auch die Mitwirkungspflichten Dritter.
3. Hersteller und Ausführer einer Ware sind an ihrer Wiedereinfuhr nicht ohne Weiteres i.S.d. Art. 14 ZK mittelbar beteiligt.
4. Ein Aufklärungsersuchen oder eine Amtshilfeanforderung kann die Befugnisse der ersuchten Behörde nicht erweitern und nicht erforderliche oder unverhältnismäßige Ermittlungsmaßnahmen nicht rechtfertigen.
Normenkette
Art. 6, 14, 185 ZK, Art. 2 ZKDVO, §§ 88, 93, 97 AO
Sachverhalt
Von einem deutschen Hersteller in ein Drittland exportierte Kfz waren von dort durch einen Dritten wieder in die EU importiert und zur Abfertigung als Rückware angemeldet worden. Der Reimporteur konnte dem HZA jedoch keine Angaben machen, in welchem Umfang die Kfz aus Teilen bestanden, bei denen es sich um vormalige Unionswaren handelte. Das HZA lehnte daraufhin die beantragte Einfuhrabgabenbefreiung für Rückwaren ab.
Im anschließenden Klageverfahren des Reimporteurs gab das FG dem beklagten HZA auf, beim Hersteller der Kfz die Ausfuhr- oder Wiederausfuhranmeldungen anzufordern und über Art und Menge der bei der Herstellung der Kfz verwendeten Einfuhrwaren Auskunft zu verlangen. Das HZA kam dem nach und forderte den Kfz-Hersteller (die Klägerin des Streitfalls) unter Fristsetzung und Zwangsgeldandrohung auf, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG meinte, das Auskunftsverlangen sei erforderlich, um die dem Reimporteur zu erstattenden Zollbeträge zu berechnen. Wenn ein Anmelder nicht in der Lage sei, die für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, habe die Zollbehörde alle ihr zugänglichen Angaben zu liefern. Nach Art. 14 ZK müssten Personen, die unmittelbar oder mittelbar an Vorgängen im Rahmen des Warenverkehrs beteiligt seien, den Zollbehörden zur Anwendung des Zollrechts auf Verlangen alle Unterlagen und Angaben zur Verfügung stellen und jede erforderliche Unterstützung gewähren. Da der Reimport Waren betreffe, die von der Klägerin hergestellt worden seien, sei sie am Zollverfahren des Reimporteurs mittelbar beteiligt (Hessisches FG, Urteil vom 16.4.2012, 7 K 2968/11, Haufe-Index 3500042).
Entscheidung
Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Vorentscheidung und den angefochtenen Verwaltungsakt aufgehoben.
Hinweis
Wird eine Unionsware aus dem Zollgebiet der Union in ein Drittland verbracht, verliert sie ihren Status und muss, falls sie später wieder in das Zollgebiet der Union eingeführt werden soll, wie jede andere Drittlandsware zur Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden. Allerdings kann sie wegen ihrer vormaligen Unionswareneigenschaft unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag von den Einfuhrabgaben befreit werden (sog. Rückware).
Handelt es sich bei den als Rückwaren angemeldeten Einfuhrwaren um (gemeinhin als "Reimport" bezeichnete) Kfz, die in der EU hergestellt und anschließend in ein Drittland ausgeführt wurden, stellt sich das Problem, dass diese Kfz erfahrungsgemäß auch aus Teilen bestehen, die aus Drittländern in die EU verbracht, im Rahmen eines aktiven Veredelungsverkehrs in die Kfz eingebaut und – ohne jemals Unionsware geworden zu sein – mit den fertigen Kfz aus der EU wieder ausgeführt wurden. Die als Rückwaren angemeldeten Kfz sind also m. a. W. nicht stets zu 100 % vormalige Unionswaren. Für die beantragte Einfuhrabgabenfreiheit muss daher ermittelt werden, mit welchem Anteil die reimportierten Kfz zuvor aus der EU ausgeführte Unionswaren sind.
Im Streitfall war zu entscheiden, ob die Zollbehörde den Hersteller der Kfz verpflichten kann, an dieser Sachaufklärung mitzuwirken, wenn weder der Reimporteur noch die Zollverwaltung die erforderlichen Angaben beibringen kann.
Der BFH hat dies verneint. Da Rückwaren nach Art. 185 ZK nur auf Antrag von den Einfuhrabgaben befreit würden, müsse der Antragsteller gemäß Art. 6 Abs. 1 ZK alle Angaben und Unterlagen liefern, die von den Zollbehörden für die Entscheidung benötigt werden. Dieser unionsrechtlich für Antragsverfahren vorgeschriebene Beibringungsgrundsatz verdränge den Amtsermittlungsgrundsatz der AO.
Sei der Antragsteller hierzu nicht in der Lage, seien die Zollbehörden nach Art. 2 ZKDVO zwar verpflichtet, die erforderlichen Unterlagen und Angaben von Amts wegen zu liefern, allerdings nur diejenigen, die ihnen selbst zur Verfügung stehen.
Die Möglichkeit, Dritte zur Beibringung der benötigten Unterlagen zu verpflichten, bestehe nach Art. 14 ZK nur bei Personen, die unmittelbar oder mittelbar an den Vorgängen im Rahmen des Warenverkehrs beteiligt sind. Der Hersteller reimportierter Kfz sei aber weder unmittelbar noch mittelbar an deren Wiedereinfuhr beteiligt. Dies wäre ggf. anders zu beurteilen...