Leitsatz
Eine bestandskräftige Kindergeldablehnung kann nicht nach § 70 Abs. 4 EStG aufgehoben oder geändert werden, wenn der Entscheidung der Familienkasse eine abschließende Prüfung der Einkünfte und Bezüge des Kindes zugrunde lag.
Sachverhalt
Die Tochter der Klägerin befand sich in den Jahren 2001 und 2002 in Ausbildung. Mit Bescheid vom 3. 6. 2003 hat die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds für die Jahre 2001 und 2002 aufgehoben, da die Einkünfte und Bezüge der Tochter in diesen Jahren über dem jeweiligen Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG lagen. Obwohl die Klägerin im Einspruchsverfahren die Be- rücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge geltend gemacht hat, wurde der Einspruch von der Familienkasse als unbegründet zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist bestandskräftig gewor- den. Am 15. 8. 2005 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 11. 1. 2005 erneut die Gewährung des Kindergelds. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass mangels einer Änderungsnorm eine rückwirkende Änderung nicht zulässig sei.
Entscheidung
Eine Änderung der Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG ist nicht möglich, da die fehlerhafte Rechtsanwendung der Familienkasse keine Änderung der Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung kann über § 70 Abs. 2 EStG nicht korrigiert werden. Die Vorschrift des § 70 Abs. 4 EStG eröffnet nur dann eine Berichtigungsmöglichkeit, wenn eine Kindergeldfestsetzung vorliegt, die aufgrund einer Prognoseentscheidung ergangen ist. Um eine derartige Prognoseentscheidung handelt es ich im vorliegenden Fall nicht. Denn der Bescheid der Familienkasse vom 3. 6. 2003 für die Jahre 2001 und 2002 ist nach Ablauf dieser Jahre und damit nach Ablauf des Prognosezeitraums und damit nicht als Prognoseentscheidung ergangen. Zum Zeitpunkt der Kindergeldaufhebung waren der Familienkasse die Einkommensver- hältnisse des Kindes bekannt. Damit stand der tatsächliche Sachverhalt bei Erlass des Aufhebungsbescheides fest. Eine Änderung nach § 70 Abs. 4 EStG scheidet daher aus. Auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist nicht möglich, da die Zahlung der Sozialversicherungs- beiträge dem Grunde und der Höhe nach der Familienkasse bekannt waren, und daher nicht nachträglich bekannt geworden sind.
Hinweis
Im Ergebnis entspricht die vorstehende Entscheidung, gegen die die Revision zugelassen und inzwischen eingelegt wurde (Az. beim BFH: III R 41/06) dem Urteil des FG Düsseldorf vom 12. 1. 2006, 14 K 4503/05 Kg, Az. beim BFH: III R 13/06 und dem Urteil des Niedersächsischen FG vom 21. 3. 2006, 13 K 398/05, Az. beim BFH: III R 31/06. In den beiden letztgenannten Urteilen sind die Erfolgsaussichten der Revision höher einzuschätzen, da in diesen Fällen den Familienkassen die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge trotz Prüfung der Einkünfte nicht bekannt war.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 17.05.2006, 15 K 4044/05